Ein Land kommt nicht zur Ruhe - und wenn es zuvor ruhig war, dann war es nur Illusion. Erst vor wenigen Tagen wurde klar, dass sich ein weißer Polizist für seine tödlichen Schüsse auf den farbigen Jugendlichen Michael Brown in Ferguson (US-Bundesstat) Missouri nicht verantworten muss. Nun starb der zwölfjährige Tamir Rice durch Kugeln der Polizei. Dafür reichten wenige Sekunden. Weitaus länger hallt das Echo in den Medien nach, auch in den sozialen Medien. "Shoot first, ask later", so lautet die Kritik. Weiteres Öl in das Feuer, das in den USA auch Jahrzehnte nach der Rassentrennung noch lodert.

#TamirRice-Tweets

"Zwei Sekunden zum Töten - vier Minuten bis zur ersten Hilfe! Schrecklich", so ein Kommentar auf Twitter. "Nach dem Erschießen von Tamir Rice werden in den USA sicher bald alle Spielzeugwaffen verboten, um die Polizei zu schützen", wird es in einem anderen Tweet zynisch. "Da erschießt Amerika doch glatt seine eigenen Kinder und die Zukunft, und man lässt die Täter einfach gewähren", lautet ein Eintrag, der sowohl auf Rice als auch auf Brown Bezug nimmt. Der Zeitfaktor spielt bei vielen Einträgen eine Rolle: "Es brauchte länger, um diesen Satz in meinem Tweet zu lesen als die Polizei brauchte, um zu schießen." Auch Einträge, die die Praktiken der Polizei insgesamt ankreiden, finden sich: "Rice wurde von der größten Gang in der Stadt erschossen", wird ausgeteilt.

Jene Einträge, die die Schuld auf der Seite des toten schwarzen Teenager suchen, sind eher in der Minderheit: "Sorry, aber wer mit einer täuschend echten Pistole auf der Straße rumrennt, auf Menschen zielt und nicht auf die Polizei hört..." Ein Video, das die Geschehnisse zeigt, wurde offiziell gezeigt und soll im Rahmen einer Untersuchung ausgewertet werden. "Da ist ein Typ mit einer Pistole. Sie ist wahrscheinlich unecht, aber er zielt auf jeden", hatte ein Anrufer die Einsatzkräfte alarmiert. Dass es sich beim Verdächtigen noch um ein Kind handelte, wurde den zwei offenbar Beamten (mittlerweile sind beide beurlaubt) nicht übermittelt. Bei der Waffe handelte es sich um eine Softair-Pistole, laut Polizei ist diese von einer echten optisch kaum zu unterscheiden.

Die Website www.cleveland.com berichtet, dass mittlerweile die Hackergruppe Anonymous die Vergangenheit des 26-jährigen Polizisten, der die fatalen Schüsse abgab, durchleuchtet: Außer einem kleineren Delikt im Zusammenhang mit Alkohol in Teenagerjahren sei bislang nichts entdeckt worden. Adresse und Telefonnummer des "Rookie" wurden aber offenbar ausfindig gemacht. Anonymous hatte bereits seit längerem die umstrittene Rolle des Sprachrohrs für die Proteste in Ferguson übernommen.