Wo gehobelt wird, da fallen Späne. In der Pickersleigh Road im englischen Malvern Link sind sie vorwiegend aus zähem Eschenholz. Aus diesem Stoff baut die Morgan Motor Company seit 1909 die "ersten und letzten echten Sportwagen" in mühevoller Handarbeit - heute wie damals.

Sein Überleben sicherte sich der letzte unabhängige Autobauer Englands in Zeiten der Massenproduktion durch schlanke Strukturen und einen schlauen Griff in die Teilekiste der Motorindustrie: Erst das hauseigene Design, die urtümliche Konstruktion und mehrere hundert Arbeitsstunden machen aus den namenlosen Teilen dann einen echten Morgan.

Dessen Entstehung beginnt in der Vorstellung seines künftigen Piloten, denn das Auto wird auf Bestellung nach Kundenwunsch angefertigt. Neun Monate später kann das Unikat dann in dem verschlafenen Ort am Fuße der Malvern Hills abgeholt werden. Pro Jahr haben rund 700 Kunden dieses Vergnügen. Derzeit sind sieben Modelle - Three Wheeler, 4/4, Plus 4, Roadster, Plus 8, Aero Supersports und Coupé - lieferbar, die dann in einer der 33.000 zur Wahl stehenden Farbnuancen glänzen.

Der aktuelle Plus 8 wird von einem BMW-V8 angetrieben
Der aktuelle Plus 8 wird von einem BMW-V8 angetrieben © MORGAN

In die Vergangenheit

Ein Fließband oder eine Blechpresse hat die Manufaktur hinter der charmanten Ziegelsteinfassade noch nie gesehen. Einige Maschinen stammen noch aus der Zeit des Firmengründers HFS Morgan, aber kürzlich soll eine neue Bohrmaschine angeschafft worden sein.

Hartnäckig hält sich auch die Geschichte, dass noch bis vor kurzem die Motorhauben über einem Baumstamm in ihre charakteristische Form gebogen wurden. In der Luft liegt der Geruch von frisch geschliffenem Holz und das Klopfen der Hämmer, mit denen die Handwerker die Außenhaut aus Aluminium über den Rahmen dengeln. Nur wenn es zur Teepause läutet, legen die rund 150 Blechkünstler, die zum Teil nach Methoden des Kutschen- und Bootsbaus arbeiten, ihre Werkzeuge nieder.

2011 legte Morgan das Ur-Modell  Three Wheeler neu auf
2011 legte Morgan das Ur-Modell Three Wheeler neu auf © MORGAN

Sie leisten Arbeiten mit viel Gefühl und Können, die anderswo von sterilen Montagerobotern erledigt werden und stellen pro Woche etwa 13 Fahrzeuge fertig. Lagerhallen gibt es, bis auf einen Raum für den heiklen Werkstoff Holz, nicht.

Wie in einer überdimensionalen Bastelbude warten Motoren und andere Rohmaterialien auf dem Boden darauf, verbaut zu werden. Die Autos wachsen auf einem stählernen Leiterrahmen Handgriff für Handgriff. Jedem wird ein Blechkleid nach Maß geschneidert, das auf kein anderes Chassis passt. Bis in die 90er Jahre wurden die frisch lackierten Autos einfach auf den Hof der Anlage geschoben, um im bekannt stabilen britischen Klima zu trocknen.

In die Zukunft

Neben der Fertigung der klassischen Versionen erahlten die mordernen Aero-Modelle ihr Finish. Charles Morgan erkannte, dass die traditionellen Modelle den gesetzlichen Bestimmungen nicht ewig standhalten werden und trat 2002 die Flucht nach vorne an. Die Aeros vereinen modernste Technik und beachtliche Fahrleistungen - 4,5 Sekunden von 0 auf 100 - mit althergebrachter Handwerkskunst. Sein Monocoque besteht aus geklebtem Aluminium, und im Heck poltert zum ersten Mal in der Geschichte keine Starrachse mehr.

Die Aero-Modelle läuteten die Moderne ein
Die Aero-Modelle läuteten die Moderne ein © MORGAN

Seit 105 Jahren ist das Traditionsunternehmen in Familienbesitz, durchtauchte sogar die Finanzkrise ohne jegliche Dellen. Soichiro Honda prophezeite einmal, dass es in der Zukunft nur mehr ein halbes Dutzend Automobilkonzerne geben wird. Und Morgan natürlich. Er könnte recht behalten.