Hamburg/Espoo (APA/AFP) - Es sind aufregende Zeiten für Autobauer. Angetrieben durch immer leistungsfähigere Computer und zunehmende Vernetzung rückt die Vision vom selbstfahrenden Auto näher. Das wissen die Konzerne Audi, BMW und Daimler. Sie kaufen dem Telekom-Konzern Nokia daher gemeinsam dessen Digitalkarten- und Datenspezialisten Here ab.

Warum ist Here so wichtig für die Autobauer?

Autonomes Fahren hängt entscheidend davon ab, dass der Steuerungscomputer an Bord eines Fahrzeugs in Echtzeit mit den nötigen Datenmengen gefüttert wird. Einen Teil besorgt sich das System mit einer ganzen Batterie von eigenen Hightech-Hilfsmitteln wie 3D-Kameras, Radar- und Lasersensoren selbst. Aber das reicht nicht: Um sich richtig zu orientieren und zu entscheiden, braucht es Informationen jenseits des eigenen Sichthorizonts.

Hier kommt Here ins Spiel. Das Unternehmen bietet zum einen ultragenaue Straßenkarten als Navigations- und Planungsbasis für Bordcomputer. Zum anderen arbeitet es daran, seine Karten durch Rückkopplung an möglichst viele Echtzeitinformationen aus verschiedenen Quellen laufend zu aktualisieren und den Fahrer und sein Auto via Internet mit der Umgebung zu vernetzen. In diesem Feld wollen die Hersteller auf keinen Fall strategisch von Google oder anderen Hightechgiganten abhängig sein.

Was bietet Here genau?

Die Karten von Here sind extrem exakt und vermessen den gesamten Straßenraum teils schon heute auf zehn bis 20 Zentimeter genau im 3D-Modus. Dafür betreibt das Unternehmen viel Aufwand. Es sammelt Milliarden von GPS-Navigationspunkten, nutzt Satellitenaufnahmen und betreibt ähnlich wie Google eine eigene Flotte von Spezialfahrzeugen, die unter anderem hochauflösende Laserscan-Aufnahmen von Straßenpanoramen anfertigen.

Die daraus hergestellten digitalen Karten braucht ein selbstfahrendes Autos, um sich jederzeit exakt über seine Position zu informieren. Um sicher durch eine Millionenmetropole zu steuern, reichen Angaben nach dem Motto "in etwa 100 Metern links abbiegen" nicht mehr aus. Ein Auto muss beispielsweise genau wissen, auf welcher Spur es unterwegs ist, welche Ampel ihr zugeordnet ist und wie die nächste Kurve verläuft.

Wie sieht es mit den Echtzeitdaten aus?

Here arbeitet nach eigenen Angaben zudem auf eine Art von "Schwarmintelligenz" für Navigationssysteme hin. Schon heute bindet es für Kunden etwa Rückmeldungen von Verkehrsfluss-Sensoren ein. In Zukunft wollen die Experten aber erreichen, dass alle von den Sensoren eines Autos erfassten Informationen in Echtzeit in der sogenannten Cloud interpretiert und an alle anderen Fahrzeuge weitergeleitet werden, für die das wichtig ist.

Das würde ständig aktuelle dynamische Karten von heute unvorstellbarer Detailtiefe ermöglichen. Erfasst etwa die Bordkamera eines autonom fahrenden Fahrzeugs einen am Straßenrand haltenden Müllwagen, könnte es andere Autos so rechtzeitig über das Hindernis informieren, dass diese lange vorher flüssig die Fahrspur wechseln.

Here befasst sich auch mit der Einbindung von Daten, die Autofahrern das Leben durch Serviceinformationen erleichtern. Werden Spritpreisdaten eingespeist, kann ein Navigationssystem den Nutzer direkt zur billigsten Tankstelle lotsen. Derartige Anwendungen könnten sich auch außerhalb des Autobereichs als lukrativ erweisen.

Ist es noch ein weiter Weg zum autonomen Auto?

Das stimmt. Experten rechnen mit einer schrittweisen Entwicklung, wobei innerhalb von fünf bis zehn Jahren zunächst Fahrzeuge auf dem Markt kommen dürften, die in übersichtlichen Situationen selbst lenken - etwa auf Autobahnen. Auch rechtlich ist vieles noch unklar.

Die Hersteller aber wollen sich rechtzeitig den Zugriff auf das nötige Know-how sichern. Der Kampf ist längst entbrannt. Google testet bereits ein autonomes Auto, Spekulationen über vergleichbare Ambitionen von Apple halten sich. BMW, Daimler und Audi erklärten am Montag, sie wollten erreichen, dass Here-Produkte als "unabhängige" Plattform erhalten bleibe. Here lege die Basis für die "nächste Generation der Mobilität".