Hängepartie bei VW: Nach dem Krisengipfel im beschaulichen Salzburg bleiben die Nerven bei Volkswagen angespannt. Einen schnellen Ausweg aus der Führungskrise bei Europas größtem Autobauer konnte der engste Kreis der Aufsichtsrats am Donnerstag nicht weisen - zumindest nicht sofort. Stundenlang saßen die mächtigsten VW-Vertreter zusammen und hatten im Anschluss doch nichts zu sagen.

Bleibt Winterkorn VW-Chef?

Erst am Freitag ist nach dpa-Informationen mit einer Mitteilung des Präsidiums zu rechnen. Wie diese aussieht, ist nach einem langen Tag völlig offen. Klar dürfte nur sein: Martin Winterkorn bleibt mindestens bis Freitag VW-Chef - an diesem Tag wird VW-Aufsichtsratschef Ferdinand Piech 78 Jahre alt. Denn den Abgang Winterkorns hätte der Konzern umgehend vermelden müssen. Dabei schien der 67-Jährige schwer angezählt, nachdem VW-Patriarch Piech vergangenen Freitag in unnachahmlicher Manier von seinem Ziehsohn abgerückt war. Mit einem einzigen Satz im Nachrichtenmagazin "Spiegel": "Ich bin auf Distanz zu Winterkorn."

Zwar hatten sich der Betriebsrat und das Land Niedersachsen als wichtige Machtpfeiler bei VW umgehend hinter Winterkorn gestellt. Und selbst Wolfgang Porsche als Sprecher des Porsche-Clans kritisierte den Alleingang seines Cousins. Die Familien Porsche und Piech halten die Mehrheit an VW. Doch öffentliche Rückdeckung muss in Konflikten mit Ferdinand Piech nicht von Dauer sein.

Unter diesen Vorzeichen waren die Kontrahenten am Donnerstag in Österreich zusammengetroffen. Dort schlug die Stunde des Aufsichtsrats-Präsidiums - in dem bei VW für gewöhnlich wichtige strategische Weichenstellungen getroffen werden. Darin sitzen neben Piëch und Wolfgang Porsche noch der frühere IG Metall-Chef Berthold Huber, VW-Konzernbetriebsratschef Bernd Osterloh, Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) sowie der Osterloh-Vize Stephan Wolf.

VW-Flieger in Salzburg

Sowohl Piech als auch sein Cousin Porsche haben ein Privathaus in Salzburg - ebenso wie Wolfgang Porsches Bruder Hans-Peter. Außerdem hat Europas größter Autohändler, die Porsche Holding Salzburg, in der Stadt ihren Sitz. Dort aber war es am Donnerstag ruhig - zumindest nach außen hin. Immerhin: Am Salzburger Flughafen wurden Flieger gesichtet, die VW zugeordnet wurden.

Hinter den Kulissen aber dürfte es zur Sache gegangen sein. Länger als geplant saß das Gremium zusammen - mit dem Mann, um dessen berufliche Zukunft sich alles dreht. Noch am Vormittag schien es so, als betreibe der Konzernchef sein ganz gewöhnliches Tagesgeschäft. Zwei Werksbesuche in der VW-Heimat Niedersachsen standen für Winterkorn auf dem Programm, abends sollte der Top-Manager in Göttingen vor Spitzenpolitikern sprechen. Doch dann sagte er den Termin kurzfristig ab und stieg ins Flugzeug.

Aber wie geht es nach Salzburg für ihn weiter? Winterkorn war bis zu den Piëch-Aussagen als Nachfolger des VW-Patriarchen an der Spitze des Aufsichtsrates gehandelt worden. Und: Neben der Distanz-Ansage zitierte das Nachrichtenmagazin Piech auch mit den Worten: "Ich strebe an, dass an die Spitze des Aufsichtsrats und des Vorstands die Richtigen kommen." Damit stand sogar Winterkorns Verbleib im Vorstand infrage - obwohl er in Salzburg laut "Frankfurter Allgemeine Zeitung" sogar um eine Verlängerung seines Ende 2016 auslaufenden Vertrages kämpfen wollte.

Im Aufsichtsrat läuft das Amt Piechs als Vorsitzender noch zwei Jahre - was dann kommt, ist völlig offen. Nur soviel: Ein Techniker soll es laut dem Patriarchen ebenso sein wie an der Vorstandsspitze. Und kein Familienmitglied, womit Piechs Frau Ursula ebenso außen vor ist wie sein Bruder Hans Michel.

Patriach Piech unter Druck

Also liegt der Druck nun auch beim Patriarchen Piech. Er hat die allseits erwartete Nachfolge-Regelung mit der Hauptfigur Winterkorn über den Haufen geworfen - dafür muss er gute Gründe gehabt haben. Sieht er für Volkswagen nach den Jahren der Expansion eine neue Ära anbrechen, die ein neues Gesicht an der Spitze nötig macht? Seit Winterkorn Vorstandschef ist, hat sich der Konzernumsatz in acht Jahren verdoppelt, der Gewinn mehr als verfünffacht, neue Marken kamen unter das VW-Dach. Nun könnte eine Phase der Konsolidierung anstehen.