Die deutschen Autobauer holen sich auf der ersten großen Branchenmesse des Jahres im amerikanischen Detroit den nötigen Schwung für 2013. Während die Hersteller in Westeuropa wegen der Schuldenkrise mit massiven Problemen kämpfen und der Markt wohl noch auf Jahre angeschlagen bleiben dürfte, können die Unternehmen jenseits des Atlantiks auf Linderung hoffen.

Geländewagen weiter gefragt

Die meisten Experten gehen davon aus, dass die Nachfrage nach Personenwagen und den in den USA besonders beliebten Geländewagen weiter wachsen wird. Allerdings dürfte nach dem Plus des vergangenen Jahres von 13,5 Prozent auf fast 14,5 Millionen verkaufte Einheiten der Schwung nachlassen. Für weiter steigende Verkäufe sorgt schon, dass viele Autos auf amerikanischen Straßen relativ alt sind - das Durchschnittsalter lag zuletzt bei über elf Jahren. Viele Amerikaner haben sich während der Hypothekenkrise in den vergangenen Jahren keine neuen Autos in die Garage gestellt und holen das nun nach, da sich die wirtschaftliche Lage für viele entspannt hat.

Allerdings sind die Unsicherheiten wegen der Sparzwänge der US-Regierung groß. "Das Schlimmste scheint verhindert, aber niemand weiß so richtig, wohin die Reise geht", sagt Auto-Professor Willi Diez vom Institut für Automobilwirtschaft in Nürtingen. Er rechnet nicht damit, dass die deutschen Autobauer die Absatzrückgänge, die sie in den Schuldenstaaten Südeuropas verbuchen, in den USA vollständig ausgleichen können. "Der große Dritte ist China." Die Volksrepublik bleibe für die westliche Automobilindustrie der Hoffnungsträger, sagt Diez.

So steigerte sich Volkswagen 2012 im Reich der Mitte um fast ein Viertel auf 2,8 Millionen verkaufte Wagen. Damit war China neben den USA der größte Treiber des Wolfsburger Konzerns, der in den nächsten Jahren die weltweite Marktführung anstrebt. Im abgelaufenen Jahr reichte es dazu noch nicht: Die Auslieferungen kletterten um 11,2 Prozent auf 9,07 Millionen Einheiten. Damit lag VW erneut hinter der Opel-Mutter GM, die Schätzungen von Analysten zufolge bis zu 9,3 Millionen Fahrzeuge rund um den Globus losgeschlagen haben könnte. An der Weltspitze dürfte Toyota 9,6 Millionen Einheiten gelegen haben.

Frank Schwope von der NordLB traut VW allerdings zu, GM im laufenden Jahr zu überholen und zu Toyota aufzuschließen. "Da bin ich mir sicher, weil Volkswagen die höhere Wachstumsdynamik in den Schwellenländern hat", meint der Autoanalyst. Er rechne damit, dass der Zwölf-Marken-Konzern aus Wolfsburg in China und den USA auch in diesem Jahr zweistellig wachsen werde. Weltweit dürfte der Zuwachs mit fünf Prozent allerdings niedriger ausfallen als 2012. Konzernchef Martin Winterkorn gab sich kämpferisch: "VW steckt nicht zurück, wir bleiben auf der Überholspur", kündigte er in Detroit an. Die Herausforderungen würden allerdings größer.

Neben China ist der Erfolg in den USA entscheidend für VW. Im laufenden Jahr will der Konzern dort zusammen mit der Beteiligung Porsche deutlich mehr als 600.000 Autos an Kunden ausliefern. VW hat sich in den vergangenen Jahren von einem Nischenanbieter emporgearbeitet und knüpfte mit knapp 440.000 in den USA verkauften Fahrzeugen an Jahre zurückliegende Erfolge an.

Auch den anderen deutschen Autobauern BMW und Daimler trauen Experten in den USA in diesem Jahr weitere Zuwächse zu. BMW hat die Krone auf dem hart umkämpften Markt für Premiumautos im vergangenen Jahr verteidigt. Auch Daimler profitierte vom Trend zu teuren Autos in Amerika, kam wegen Modellwechseln aber nicht so schnell in Fahrt. In Amerika werde die Strategie der Stuttgarter, die Spitze der Premiumautobauer in den nächsten Jahren zurückzuerobern, am ehesten sichtbar, meint Autoprofessor Ferdinand Dudenhöffer. Seinen Berechnungen zufolge steigerten BMW, Daimler & Co ihren Marktanteil in den USA im abgelaufenen Jahr um einen halben Prozentpunkt auf 8,7 Prozent, was Experten angesichts der harten Konkurrenz als beachtliche Steigerung einstufen. Die US-Hersteller GM und Ford dagegen verloren auf ihrem Heimatmarkt an Boden. Einzig die von Fiat kontrollierte US-Marke Chrysler steigerte sich leicht.

Die Deutschen wollen punkten

In Detroit wollen die deutschen Marken mit ihren neuen Kompaktwagen, Familienautos und PS-starken Limousinen punkten. Daimler rückt die erneuerte E-Klasse ins Scheinwerferlicht. Daneben feiert der auf Basis der neuen A-Klasse entwickelte sportliche CLA Premiere. BMW zeigt eine Studie der neuen 4er-Reihe. VW enthüllt eine sportliche Version des Mittelklassewagens Passat für den US-Markt und rückt die Studie eines Familienwagens ins Rampenlicht, den zwischen Geländewagen und Van angesiedelten Tiguan XL. Damit folgen die deutschen Hersteller dem Trend zu einer immer stärkeren Ausdifferenzierung der Automodelle. Was einst mit Vans, sportlichen Geländewagen und anderen Mehrzweckfahrzeugen begonnen hat, geht inzwischen immer stärker in die Richtung von Fahrzeugen für Freizeit und Lifestyle. Damit versuchen die Autobauer vor allem in den gesättigten Märkten USA und Westeuropa die rare Kundschaft zu gewinnen. "Gesucht wird die Nische in der Nische", beschreibt Diez den Trend.

Die US-Hersteller setzen dagegen weiter auf die Liebe der Amerikaner zu schweren Autos mit großvolumigen Motoren. GM zeigt den erneuerten Chevrolet Silverado, der selbst in der kleinen Motorisierung noch 262 PS hat. Dazu kommt die neue Corvette, die in der siebten Generation mit 455 PS auf der Messe präsentiert wird. Elektroautos stehen dagegen in Detroit eher am Rande.