Ist das Auto am Ende? In Europa erodieren die Verkaufszahlen, die Städte wachsen unaufhaltsam. Gleichzeitig werden jedoch immer mehr Fahrverbote in Ballungszentren verordnet. Fakt ist aber auch: Die Kommunen können es sich nicht leisten, die Autos endgültig aus der Stadt zu verbannen. Parkgebühren, Zonenregelung und Mauterlöse spülen Millionen in die leeren Stadtkassen. Trotz aller Beteuerungen werden die Einnahmen gebraucht. Und damit wohl oder übel auch Autos.

Düstere Prognosen

Die Prognosen der Hersteller bleiben dennoch düster. Steigende Erhaltungskosten, explodierende Spritpreise, Maut- und Parkkosten verleiden die Lust am Autobesitz. Vor allem die Generation zwischen 25 und 35 scheint das Interesse zu verlieren. "Das Problem der individuellen Mobilität ist nicht, dass die Jungen nicht wollen. Sondern es ist ein Problem der Kosten, die ich insgesamt für das Autofahren aufbringen muss", erklärt Herbert Kohler, leitender Mobilitätsforscher bei Daimler-Mercedes.

Dazu kommt: Das Handy hat das Auto als Fetisch abgelöst. Wer ständig online, auf der ganzen Welt mobil und mit anderen Menschen via Facebook und Twitter in Kontakt ist, will nicht in einem abgeschlossenen Vehikel alleine unterwegs sein. Das Handy, darüber sind sich alle einig, ist der Schlüssel zur neuen Mobilität. Über Apps wird man in diverse Systeme einsteigen können. Nur Autos zu verkaufen, ist nicht mehr genug. Manuel Sattig, BMWi-Projektmanager: "Wir wollen nicht der erfolgreichste Premium-Hersteller von Fahrzeugen sein, sondern erfolgreichster Anbieter von Premium-Mobilität".

Hersteller wie Mercedes setzen mit Carsharing-Projekten wie Car2go bereits ein erfolgreiches Geschäftsmodell um. Über die Stadt Wien sind Smarts verteilt, via Car2go-App kann man sie lokalisieren, den Zustand des Autos checken (Benzinstand etc.) und auch gleich reservieren. Die Kurzparkzonen-Gebühr ist im Mietpreis (0,29 Euro pro Minute, 12,90 Euro pro Stunde) inkludiert. Das heißt, unter Umständen fährt man günstiger mit dem Mietauto als mit einem eigenen Auto, das man stundenlang in der Kurzparkzone oder einem Parkhaus stehen lässt.

Daimler-Forscher Kohler gibt zu, dass es anfangs Widerstände gab: ",Seid ihr wahnsinnig', hat es geheißen, ihr macht da ja euer Geschäft kaputt, ihr werdet keine Autos mehr verkaufen!' Aber wenn sich der Markt verändert, hat man nur zwei Möglichkeiten: Bestimmst du dein Schicksal als Autohersteller selbst mit oder bleibst du sitzen?" Carsharing ist einfach ein Geschäftsmodell, eine Art Kurzzeitleasing.

Sowohl Mercedes als auch BMW bewegen sich aber schon Richtung total vernetzter Mobilität. Dabei werden Mobilitätsangebote untereinander verknüpft. Nach der Eingabe des Ziels in eine spezielle Handy-App wird gezeigt, mit welchen Verkehrsmitteln man am besten von A nach B kommt. Das kann eine Kombination aus Leih-E-Rad, Straßenbahn, herkömmlichem Fahrzeug oder Carsharing- bzw. Mitfahr-Programmen sein. Je nach Präferenz erhält man die Strecke mit den geringsten Fahrtkosten oder der kürzesten Fahrzeit.

In den nächsten Jahren sollen diese Angebote die Mobilität revolutionieren. Auf einmal sind Allianzen zwischen Autoherstellern, öffentlichen Verkehrsanbietern und Mitfahr-Plattformen möglich. Und die Autohersteller investieren Milliarden, damit ihnen nicht ein anderer Mobilitätsanbieter - weil er bessere, einfachere Lösungen am Handy anbietet - das Geschäft zunichtemacht. "Wir wollen den Kunden in unserer Daimler-Erlebniswelt halten", gibt Kohler zu. Renault zum Beispiel hat ein Carsharing-Programm mit seinem E-Mobil Twizy gestartet. Aber Renault-Chefplaner Philippe Klein sagt, dass "wir nur das System aufbauen. Dann wollen wir Partner suchen, die das für uns übernehmen". Es gilt auch zu bedenken: "Ist da überhaupt ein Geschäft für uns zu machen? Das System muss leistbar sein".

Thema Carsharing

Bei Volkswagen ist man vorsichtig optimistisch: "Carsharing wird nicht die einzige Musterlösung sein", erklärt Jürgen Leohold, Leiter der Konzernforschung. "Wenn ich Städte verändern will - sagen Städtebauer -, braucht das über hundert Jahre. Selbst wenn man es wollte: Dass wir in zehn Jahren in Städten nur noch Carsharing haben werden, ist Utopie". Leohold verweist darauf, dass die Menschen das Auto in bestimmten Lebensphasen anders nützen.

Man wisse aus Carsharing-Versuchen, dass vor allem jüngere Leute von 20 bis 30, gut gebildet und an nachhaltiger Mobilität interessiert, diese nutzen. Aber: Sobald sie eine Familie gründen, entscheiden sie sich für den Autokauf. Das Auto wird zu einem Lebensabschnittspartner.