Wirklich geglaubt hatte es ohnehin keiner mehr: Bis Montagmittag hielt Umwelt- und Landwirtschaftsminister Nikolaus Berlakovich (ÖVP) noch offiziell an der Einführung des Kraftstoffs E10 an Österreichs Tankstellen mit 1. Oktober fest. Am frühen Abend kam dann der Rückzieher: Der Start des Superbenzins mit zehn Prozent Bioethanol-Beimischung wird auf unbestimmte Zeit verschoben.

Ein Flop in Deutschland

Vorausgegangen war der Kehrtwende eine Erklärung der EU-Kommission, wonach Brüssel anders als bisher plane, die Nutzung von Agrokraftstoffen auf das derzeitige Niveau von rund fünf Prozent Gesamtanteil begrenzen zu wollen. Ein Anteil, den Österreich insgesamt bereits erfüllt. Die Kommissare Connie Hedegaard (Klima) und Günther Oettinger (Energie) gaben damit dem Drängen von Umweltorganisationen und Politikern nach, die sich seit Monaten an den fragwürdigen ökologischen und ethischen Auswirkungen des Biosprits reiben. Zudem geriet E10 an den deutschen Tankstellen zum Flop, weil die Autofahrer den Sprit aus Angst vor Motorschäden regelrecht boykottierten.

Zuletzt bröckelte sogar in Berlakovichs eigenem Umfeld die Unterstützung für die E10-Pläne weg. Nach Landwirtschaftskammerpräsident Gerhard Wlodkowski hatte auch der steirische VP-Agrarlandesrat Hans Seitinger für die Verschiebung plädiert und setzt nun auf einen neuen Anlauf (siehe Interview rechts). Dass der Umweltminister nun nachgegeben hat, lässt neben den Autofahrerklubs aber vor allem Umwelt- und Sozialorganisationen jubeln.

Tatsächlich ist in Sachen Biosprit ein prinzipieller Zusammenhang nicht wegzudiskutieren: Je mehr Agrarrohstoffe global in die Energiegewinnung gehen, desto weniger bleibt in Summe für die Lebensmittelproduktion übrig. Die Alternative: Die Anbaugebiete werden intensiviert oder auf Kosten von Grünland- und Waldgebieten ausgeweitet, was sich wiederum negativ auf die Ökobilanz der grünen Treibstoffe niederschlägt.

Für Österreich allerdings stellt sich bislang weder das ethische noch das ökologische Problem in diesem Ausmaß. Bereits jetzt produziert die Agrana im niederösterreichischen Pischelsdorf genügend Bioethanol für eine E10-Einführung - etwa die Hälfte geht in den Export. Während heute etwa sechs Prozent der heimischen Getreidefläche der Biospritproduktion dienen, werden 18 Prozent für Lebensmittel genutzt, wohingegen auf 55 Prozent Fläche Futtermittel für die Tiermast angebaut werden. Auch ökologisch schneidet der österreichische Biosprit verhältnismäßig gut ab. In einer Gesamtbilanz hat das Joanneum Research errechnet, dass der hierzulande produzierte Treibstoff um 60 (Biodiesel) bis 70 Prozent (Bioethanol) weniger Treibhausgase verursacht als der herkömmliche fossile Sprit.

Ressourcen sind limitiert

Unbegrenzt sind die Ressourcen jedoch auch in Österreich nicht. Die verstärkte Biospritproduktion hat dazu beigetragen, dass sich die Getreideimporte im vergangenen Jahrzehnt verachtfacht (!) haben, während die Exporte lediglich um die Hälfte gestiegen sind. Einfuhren und Ausfuhren halten sich heute etwa die Waage. Steigert sich der Biosprit-Einsatz aber weiter, entwickelt sich Österreich zu einem Nettoimporteur beim Getreide, prognostiziert man bei der Agrarmarkt Austria (AMA).

Importiert wurde bisher zu mehr als 90 Prozent aus den Nachbarländern Deutschland, Ungarn, Tschechien und der Slowakei. Die großen ökologischen Problemfelder beim Biosprit liegen freilich in Ländern wie den USA und Brasilien, die gemeinsam 70 Prozent der weltweiten Produktion abdecken.