Man müsse sich darauf einstellen, dass die Flüchtlingszahl bald eine Million überschreite, sagte der Generaldirektor der Organisation für Migration (IOM), William Lacy Swing, am Montag bei der Geberkonferenz in Genf.

Fast 600.000 sind seit Ende August geflohen, weil ihre Dörfer in Brand gesteckt und Menschen ermordet wurden. Auch Bangladesch warnte am Montag davor, dass die Gewalt in der Provinz Rakhine entgegen anderslautender Darstellungen weitergehe. Das Land hat nach eigenen Angaben bereits fast eine Million Rohingya-Flüchtlinge aus Myanmar aufgenommen. "Das ist der größte Exodus aus einem einzelnen Land seit dem Genozid 1994 in Ruanda", sagte der Vertreter Bangladeschs, Shameem Ahsan, bei der Geberkonferenz in Genf.

Hilfsorganisationen fordern 370 Millionen Euro für verfolgte Minderheit

Noch immer kämen jeden Tag Tausende Menschen über die Grenze, sagte Ahsan. Zwar versuche sein Land im Gespräch mit Myanmar, eine langfristige Lösung zu finden. Allerdings bestehe die Regierung des Nachbarlandes darauf, die Rohingya als illegale Einwanderer aus Bangladesch zu bezeichnen. Die "eklatante Leugnung der ethnischen Identität der Rohingya" durch Myanmar sei ein Hindernis bei den bilateralen Gesprächen zur Lösung der Krise. Myanmar müsse die Rückkehr der Rohingya zulassen.

Die UN rief zu Hilfen in Höhe von insgesamt 434 Millionen Dollar (rund 370 Millionen Euro) auf. "Das ist keine isolierte Krise", sagte Mark Lowcock, bei der UN zuständig für die Koordinierung humanitärer Hilfe: "Das ist die jüngste Runde in einem jahrzehntelangen Zyklus von Verfolgung, Gewalt und Vertreibung." Lowcock zufolge erhielt die UN zunächst Hilfszusagen von 340 Millionen Dollar. Das sind mehr als Dreiviertel der Summe. Vor der Geberkonferenz war der Aufruf erst zu 30 Prozent gedeckt. Die EU versprach weitere 30 Millionen Euro.

Gemeinsame Gastgeber der Geberkonferenz in Genf waren die EU und Kuwait. Nach Angaben des für humanitäre Hilfe zuständigen EU-Kommissars, Christos Stylianides, soll mit den EU-Geldern eine Grundabsicherung wie etwa die Versorgung mit Wasser, Sanitäreinrichtungen und Medizin gewährleistet werden.

"Wir sind heute hier, weil die Bedürfnisse leider noch größer sind, als wir mit unseren aktuellen Mitteln bereitstellen können", sagte die Vorsitzende des Welternährungsprogramms (WFP), Elisabeth Rasmusson, bei der Konferenz. Die Gelder sollen hauptsächlich Bangladeschs Grenzregion Cox's Bazar zugutekommen - dort leben etwa 900.000 Flüchtlinge und 300.000 Einheimische.

Am Sonntag erklärte die Polizei in Bangladesch, ein Rohingya-Aktivist sei festgenommen worden. Der Mann habe in Flüchtlingslagern gegen die Abschiebung der Anhänger der muslimischen Minderheit protestiert.

Der Konflikt zwischen der mehrheitlich buddhistischen Bevölkerung und der muslimischen Minderheit in Myanmar war Ende August eskaliert, als Rohingya-Rebellen Soldaten und Polizisten angriffen und dutzende Sicherheitskräfte töteten. Das Militär reagierte mit brutaler Gegengewalt. Hunderte Menschen wurden getötet, ihre Häuser niedergebrannt. Die UNO stufte das Vorgehen der myanmarischen Armee gegen die Rohingya als ethnische Säuberungen an.