Tropensturm "Harvey" setzt den Süden der USA weiter unter Wasser. In den von Überschwemmungen verwüsteten Teilen des US-Bundestaates Texas brachte "Harvey" auch in der Nacht auf Dienstag große Regenmengen.

Nach einem Dammbruch infolge des Tropensturms "Harvey" haben die Behörden im US-Bundesstaat Texas die betroffenen Bewohner zur sofortigen Evakuierung aufgefordert. "Sofort raus jetzt!!", schrieb die Verwaltung des Kreises Brazoria am Dienstag im Kurzbotschaftendienst Twitter. Der Damm an den Columbia-Seen südlich der Großstadt Houston habe unter dem Druck der Wassermassen nachgegeben.

Die sintflutartigen Regenfälle  haben einen neuen Rekordwert gesetzt. In der Stadt Pearland im Südosten von Houston wurden seit Freitag insgesamt Niederschlagsmengen von 125 Zentimetern gemessen, wie der Nationale Wetterdienst am Dienstag mitteilte.

Das markiert einen neuen Rekord bei einem Tropensturm in den USA: Im Jahr 1978 waren demnach beim Sturm "Amelia" 124 Zentimeter gemessen worden.

Im Südosten von Texas herrscht der Ausnahmezustand, nachdem der Tropensturm "Harvey" am vergangenen Freitag auf Land getroffen war. In einigen Gebieten standen Häuser bis zum Dach unter Wasser. Straßen glichen Kanälen. Menschen kämpften sich in Booten durch die Fluten. Nach Angaben der Behörden vom Dienstag brachten Rettungskräfte allein in der besonders schwer getroffenen Millionenmetropole Houston in den vergangenen Tagen 3.500 Menschen in Sicherheit.

US-Präsident Trump in Flutgebieten in Texas eingetroffen

US-Präsident Donald Trump ist am Dienstag (Ortszeit) mit seiner Frau Melania in Texas eingetroffen, um sich ein Bild von den Verwüstungen infolge des Sturms "Harvey" zu machen. Trump landete in der texanischen Küstenstadt Corpus Christi, die in der Nacht auf Freitag mit voller Wucht von dem Sturm getroffen worden war.

Der Präsident wollte nach seinem Kurzbesuch in der Hafenstadt eigentlich in Texas' Hauptstadt Austin weiterreisen. Doch seine Sprecherin Sarah Huckabee Sanders sagte, der Zeitplan könne sich wegen des anhaltend schlechten Wetters in der Gegend ändern.

US-Präsident Donald Trump ist am Dienstag (Ortszeit) mit seiner Frau Melania in Texas eingetroffen, um sich ein Bild von den Verwüstungen infolge des Sturms "Harvey" zu machen
US-Präsident Donald Trump ist am Dienstag (Ortszeit) mit seiner Frau Melania in Texas eingetroffen, um sich ein Bild von den Verwüstungen infolge des Sturms "Harvey" zu machen © AFP

Beyonce kündigte Hilfe für Hurrikan-Opfer an

Beyonce, die wohl bekannteste Tochter der Stadt Houston, hat Hilfe für die von dem Sturm "Harvey" überflutete Millionenmetropole angekündigt. Die US-Pop-Diva sagte am Dienstag der Zeitung "Houston Chronicle", sie arbeite gemeinsam mit ihrem Team und ihrem Houstoner Pfarrer an einem Plan, "um so vielen Menschen wie möglich zu helfen". Eine Spendensumme nannte sie keine.

Megakirche in Houston bleibt für Sturm-Opfer geschlossen

Unterdessen sorgt eine Ankündigung für Aufregung:Die etwa 17.000
Sitzplätze umfassende Lakewood-Kirche in Houston im US-Bundesstaat
Texas bleibt für die obdachlosen Sturm- und Hochwasseropfer
geschlossen. Auf Facebook teilte der Pastor der Megakirche, Joel
Osteen, am Montag (Ortszeit) mit, der Gebäudekomplex sei wegen der
schweren Überschwemmungen "unzugänglich". In der Mitteilung wurden
alternative Unterkünfte in der Nähe der Kirche genannt.

Die Aussage des wohlhabenden Predigers und Unternehmers löste in
den Sozialen Netzwerken Empörung aus. Andere Kirchen und
Konferenzzentren in der Regionen haben für die mehr als 30.000
Menschen, die durch Hurrikan "Harvey" ihr Zuhause verloren, ihre
Türen geöffnet. Auch Schulen bieten Schlafplätze für die Opfer.

Osteen möge das Evangelium noch einmal lesen und seine
Kirchenpforten sofort öffnen, hieß es in einer der Protestnoten auf
Twitter. Andere erinnerten ihn an die millionenschweren
Steuervergünstigungen, die seine Kirche vom Staat erhalte. Der
Prediger selbst wohnt mit seiner Frau und zwei Kindern in einem
Villenviertel von Houston.

Joel Osteen gehört zu den Vertretern des sogenannten
"Wohlstandsevangeliums", demzufolge Wohlstand, Vermögen und Erfolg
der sichtbare Beweis für Gottes Gunst sind. Der 54-Jährige spricht
in seinen Predigten und Vorträgen Woche für Woche vor rund 45.000
Gläubigen. Via TV erreicht er den Angaben zufolge weltweit mehr als
zehn Millionen Menschen. Nach der massiven Kritik kündigte die
Megakirche an, mit den Samaritern zusammenzuarbeiten, um Geld für
die Opfer zu sammeln.

US-Präsident Donald Trump sagte den Betroffenen rasche Hilfe zu. Er wollte am Dienstag in die texanischen Städte Corpus Christi und Austin reisen, um sich ein Bild von der Lage zu machen. Er gehe davon aus, dass der Wiederaufbau nach den Überflutungen teuer werde, sagte Trump am Montag. Er sei in dieser Frage in Kontakt mit dem Kongress. "Wir müssen sehen, was wir für die Menschen in Texas tun können." Dies gelte auch für die Bewohner von Louisiana. Der Präsident sprach den Menschen zugleich Mut zu: "Wir werden das überstehen. Wir werden gestärkt daraus hervorgehen und glaubt mir, wir werden größer, besser, stärker sein als jemals zuvor."

Im Süden von Texas kämpften Rettungskräfte auch in der Nacht gegen die Fluten. Die Küstenwache sprach von mehr als 3.000 Menschen, die allein am Montag aus den überschwemmten Gebieten gerettet worden seien. Pro Stunde gingen bis zu 1.000 Anrufe von Hilfesuchenden ein. Bis zum Abend (Ortszeit) bestätigten die Behörden offiziell drei Tote, manche US-Medien berichteten aber von höheren Zahlen. Zahlreiche Menschen wurden vermisst.

Hochwasser nach Tropensturm ´Harvey´
Hochwasser nach Tropensturm ´Harvey´ © (c) APA

Nach Einschätzung der Behörden könnte der Sturm in dem Bundesstaat bis zu 30.000 Menschen vorübergehend obdachlos machen. 54 Bezirke wurden zu Notstandsgebieten erklärt. Besonders betroffen ist die Millionenmetropole Houston, in deren Großraum 6,5 Millionen Menschen leben. Dort rettete die Polizei allein seit Montagfrüh 1.000 Menschen aus den Fluten.

Houston erweitert Kapazität in Notunterkunft

Auf der Flucht vor dem verheerenden Hochwasser in Houston im US-Bundesstaat Texas sind einem Medienbericht zufolge bisher mehr als 9.000 Menschen im Kongresszentrum der US-Millionenmetropole untergekommen. Ursprünglich ist das George R. Brown Convention Center nur für 5.000 Menschen ausgelegt. Das Rote Kreuz schicke niemanden weg, berichtete der lokale Sender KHOU am Dienstagfrüh (Ortszeit).

Wegen der hohen Zahl an Hilfesuchenden bekomme aber nicht jeder ein eigenes Bett. Wer um Unterkunft bitte, werde registriert und mit Essen, Decken, Handtüchern und Kleidung versorgt, hieß es. In dem Kongresszentrum wurden auch während des Wirbelsturms "Katrina" vor zwölf Jahren Betroffene untergebracht.

Auch im Nachbarstaat Louisiana werden in den kommenden Tagen heftige Ausmaße befürchtet. In New Orleans sollten Schulen und Behörden am Dienstag geschlossen bleiben, wie die Verwaltung der größten Stadt des US-Bundesstaates anordnete. Bürgermeister Mitch Landrieu empfahl den Bewohnern, ihr Haus nicht zu verlassen. Er riet ihnen, Essen, Trinken und Medikamente für mindestens drei Tage vorrätig zu haben. Über die Woche sollten rund 25 Zentimeter Regen in der Region fallen. Gouverneur John Bel Edwards sagte, Louisiana stehe das Schlimmste aller Wahrscheinlichkeit nach noch bevor.

Mindestens acht Todesopfer

Nachdem am Wochenende zwei Todesopfer in Texas gemeldet worden waren, teilte die Polizei vom Montgomery County am Montag mit, eine Frau sei in der Stadt Porter ums Leben gekommen, als ein Baum auf ihr Haus stürzte. Der Sender KHOU berichtete von sechs Insassen eines Kleinbusses, der im Hochwasser abgetrieben sei. Es werde befürchtet, dass die Menschen tot seien. Der Sender zählte damit insgesamt acht Todesopfer in der Gegend um Houston.

Die Rettungsmannschaften konzentrierten sich darauf, in Gefahr geratene Menschen in Sicherheit zu bringen. Die Teams gingen mit Booten und Hubschraubern vor. Die Infrastruktur in und um Houston brach weitgehend zusammen. Der Internationale Flughafen der Stadt ist bis auf Weiteres geschlossen. Viele Straßen und Autobahnen sind unpassierbar, der Unterricht in den Schulen wurde abgesagt.

Auch außerhalb Houstons machte der Sturm viele Häuser dem Erdboden gleich. Verschmutztes Trinkwasser wurde mehr und mehr zum Problem. Die Behörden riefen die Bevölkerung auf, Trinkwasser abzukochen.

Alligatorenfarm überflutet

Östlich von Houston stand am Dienstag eine Alligatorenfarm Medienberichten zufolge kurz vor der Überflutung. In der Folge könnten 350 Reptilien aus ihren Einzäunungen geschwemmt und in die Freiheit gespült werden. "Wir sind weniger als einen Fuß davon entfernt, dass das Wasser über die Zäune steigt", sagte der Gründer des Alligatorenparks, Gary Saurage, dem Sender KFDM am Montag. Die gefährlichsten Tiere, darunter Giftschlangen, Krokodile und zwei rund vier Meter lange Alligatoren, seien eingefangen und in Käfige gesperrt worden.

Auch die Produktion der Chemieindustrie in Texas beeinträchtigte "Harvey". Der deutsche Spezialchemiekonzern Evonik schloss infolge des Unwetters dort zwei Standorte. Betroffen seien kleinere Werke in Pasadena und Deer Park mit insgesamt etwa 80 Mitarbeitern, sagte ein Konzern-Sprecher am Dienstag. Die Höhe des Schadens sei noch nicht zu beziffern. Es sei gelungen, die Chemikalien frühzeitig in Sicherheit zu bringen, so dass dadurch keine Umweltschäden entstehen könnten, erklärte der Sprecher. Auch der Chemieriese BASF ist in Texas vertreten. Der Konzern prüft nach Angaben einer Sprecherin mögliche Auswirkungen des Wirbelsturms auf Mitarbeiter und sein Geschäft. Das Unternehmen hat in Texas sechs Standorte mit rund 3.000 Mitarbeitern.