Als spiritueller Guru, Action-Darsteller und Popsänger hat Gurmeet Ram Rahim Singh Millionen Verehrer in Indien. Als er wegen der Vergewaltigung zweier Anhängerinnen verurteilt wurde, randalierten seine Fans. Bisher kamen dabei 37 Menschen ums Leben. Vor der Verkündung des Strafmaßes am Montag ist die Lage in Indien weiter angespannt.

In einer Reihe indischer Action-Filme rettet der "Bote Gottes" die Welt - mal vor Drogendealern, mal vor Außerirdischen. Hauptdarsteller, Regisseur, Produzent, Drehbuchautor, Komponist und vieles mehr ist ein Mann, der sich Saint Dr. Gurmeet Ram Rahim Singh Ji Insan nennt.

Der etwas pummelige 50-Jährige mit langem Bart und einer Vorliebe für Motorräder, extravagante Kleidung und funkelnden Schmuck ist für viele Inder eine Witzfigur. Für Millionen andere ist er aber der Vertreter Gottes auf Erden. Seine "Sekte des wahren Geschäfts" (Dera Sacha Sauda) hat nach eigenen Angaben 60 Millionen Anhänger. Sie würden für ihren Guru alles tun.

100.000 randalierten

Das zeigte sich am Freitag, als mehr als 100.000 Verehrer von Ram Rahim in dem nordindischen Ort Panchkula randalieren, nachdem er dort wegen Vergewaltigung zweier Anhängerinnen verurteilt wurde. Sie zündeten ein Feuerwehrauto und andere Fahrzeuge an, warfen Steine und zerstörten Übertragungswagen von Fernsehsendern. Auch in anderen Orten der Region und sogar am Rand der 250 Kilometer entfernten Hauptstadt Neu Delhi gab es Brandstiftung und Gewalt. Die Polizei schoss auf die Randalierer. Am Ende waren 37 Menschen tot und mehr als 250 verletzt. Hunderte wurden festgenommen.

Die Geschehnisse lösten Entsetzen aus, aber nicht bei allen aus demselben Grund. Die "noble Seele" Ram Rahim werde schikaniert, sagte Sakshi Maharaj, Abgeordneter der indischen Regierungspartei BJP, im Fernsehen. "Wer hat wohl Recht: seine Hunderttausend Anhänger oder das eine Mädchen, das ihn angezeigt hat?"

Immer wiederkehrendes Problem

Auf Twitter erntete Maharaj dafür viel Ärger. Eine Nutzerin sah seine Bemerkungen als Ausdruck eines immer wiederkehrenden Problems in Indien: Statt ernst genommen zu werden, müssen sich Vergewaltigungsopfer Anschuldigungen anhören.

Die Episode zeigte aber auch, welch politischen Einfluss Ram Rahim hat. Vor Wahlen sagte er seinen treuen Anhängern, sie sollen für die BJP stimmen. Lokalpolitiker im Bundesstaat Haryana, wo die Sekte beheimatet ist, besuchten ihn. Der Regierungschef von Haryana, Manohar Lal Khattar von der BJP, stand schon mit ihm auf einer Bühne.

Als ein Gericht am Samstag die Beschlagnahmung des Vermögens der Sekte anordnet, rügte es auch Khattar dafür, dass er die Ausschreitungen wegen seiner Verbindungen zu der Sekte nicht verhindert habe: "Sie haben aus politischem Kalkül eine Stadt brennen lassen."

Selbsternanntes Allround-Talent

Seinem Twitter-Konto zufolge ist Ram Rahim spiritueller Heiliger, Philantrop, vielseitiger Sänger, Allrounder-Sportler, Filmregisseur, Schauspieler, künstlerischer Leiter und einiges mehr. Er brachte nicht nur Filme, sondern als Popsänger auch Alben heraus. Das Musikvideo zu seinem Elektro-Song "Love Charger" ist Millionen Mal bei YouTube aufgerufen worden.

Seinen Anhängern predigt er Meditation und eine Mischung der Lehren großer Religionen. Als gebürtiger Sikh trägt er den für diese Religion typischen Nachnamen Singh, in Anspielung auf den Hinduismus und den Islam nennt er sich aber auch Ram und Rahim. Am Ende seines Namens steht das Wort "Insan", das Mensch bedeutet.

Er ist vielleicht der exzentrischste, aber längst nicht der einzige Guru in Indien - und auch nicht der erste, der wegen Sexualverbrechen aller Voraussicht nach ins Gefängnis muss. Spirituelle Anführer haben häufig Zulauf von Menschen, die sich vom Hinduismus abkehren, weil sie als Angehörige niedriger Kasten benachteiligt werden.

Sozial engagiert

Ram Rahim ist auch deshalb beliebt, weil er sich sozial engagiert. Seine Anhänger säubern Straßen, pflanzen Bäume, spenden Blut, leisten Katastrophenhilfe und "helfen" Witwen und Prostituierten, indem sie diese heiraten.

Die Vergewaltigungen, für die Ram Rahim nun hinter Gitter muss, kamen schon 2002 dank einem anonymen Brief ans Licht. Im selben Jahr wurde ein Journalist ermordet, der über die Sekte geschrieben hatte. Auch dafür muss sich der Guru noch vor Gericht verantworten. Ihm wird auch vorgeworfen, Hunderte Anhänger zur Kastration gezwungen zu haben.

Am Samstag war die Lage in Panchkula ruhig, aber angespannt. Im rund 250 Kilometer entfernten Sirsa, wo sechs Menschen starben, sind vor dem riesigen Komplex der Sekte Soldaten postiert. Am Montag wird das Strafmaß gegen Ram Rahim verkündet. Um neue Ausschreitungen zu verhindern, soll er nicht persönlich vor Gericht erscheinen. Der Richter kommt diesmal zu ihm ins Gefängnis.