In der Westantarktis ist vom Larsen-C-Schelfeis ein gigantischer Eisberg abgebrochen, der zuletzt nur noch an einer schmalen Verbindung hing. Er zählt nach Angaben des Bremerhavener Alfred-Wegener-Instituts für Polar- und Meeresforschung (AWI) zu den fünf größten Eiskolossen, die Wissenschafter in den letzten drei Jahrzehnten registriert haben. Er misst 5.800 Quadratkilometer.

Der Tafeleisberg löste sich irgendwann in der Zeit zwischen Montag und Mittwoch. Nach Angaben des britischen Antarktisprojekts "Midas" wird er vermutlich den Namen "A68" erhalten. Wohin er driftet, hängt von mehreren Faktoren ab. "Er schwimmt mit der Meeresströmung, aber auch der Wind spielt eine Rolle", sagt AWI-Glaziologin Daniela Jansen, die am "Midas"-Projekt der britischen Universität Swansea beteiligt ist. Sie vermutet, dass der Eisberg - so wie andere zuvor - entlang der antarktischen Halbinsel zunächst gen Norden und dann nach Osten zieht. "Es kann aber dauern, bis er aus dem Meereis raus ist", sagt Jansen. Erfahrungsgemäß driftet er zunächst zehn Kilometer pro Tag.

Per Satellit verfolgbar

Sollte die Eismasse nicht vorher in mehrere Teile zerfallen, wird es Jansens Angaben zufolge wohl zwei, drei Jahre dauern, bis sie geschmolzen ist. "Der Eisberg befindet sich schon weit im Norden und kommt deshalb bald in wärmeres Gewässer." Sie geht davon aus, dass er sich vor der Inselgruppe Südgeorgien, etwa 1.400 Kilometer östlich der argentinischen Küste, vollständig auflösen wird.

Eine Gefahr für Menschen geht von dem Giganten nicht aus. "Er schwimmt in einem sehr abgelegenen Teil der Erde", erläutert die Wissenschafterin. "Und einen Eisberg dieser Größe kann man per Satellit super verfolgen." Schiffe wüssten somit, wo er sich gerade aufhalte.

Jetzt, wo der Eisberg abgebrochen ist, ist er für die Wissenschafter eigentlich nicht mehr ganz so spannend. "Uns interessiert, wie es an der Kalbungsfront des Larsen-C-Schelfeises weitergeht", betont Jansen. Schelfeise sind auf dem Meer schwimmende Eisplatten, die von Gletschern gespeist werden und mit ihnen noch verbunden sind. Das Larsen-C-Schelfeis ist das viertgrößte Schelfeis der Antarktis. Es hat eine Fläche von fast 50.000 Quadratkilometern.

Schelfeis könnte zerfallen

Wissenschafter befürchten, dass sich mit dem Abbruch des Eisbergs die neu entstandene Eiskante durch permanentes Abbröseln weiter zurückzieht und das Schelfeis schließlich in absehbarer Zeit komplett zerfällt. Diesen Prozess haben Forscher schon mehrfach beobachtet: In den letzten 20 Jahren sind sieben Schelfeise an der Antarktischen Halbinsel zerfallen oder stark zurückgegangen. In der Folge können die Eisströme der Gletscher ungebremst ins Wasser fließen, was letztlich zur Erhöhung des Meeresspiegels führt.

Ob sich auch das Larsen-C-Schelfeis zurückziehen wird, wissen die Forscher nicht. "Das ist ein komplexes System, und wir arbeiten daran, es zu entschlüsseln", sagt Daniela Jansen. Zwar weiß niemand, ob der Klimawandel die Entstehung von "A68" gefördert hat. Aber zum weiteren Zerfallen des Larsen-C-Schelfeises könnte er durchaus beitragen.

Eisberg-Giganten aus jüngerer Zeit

Die abgebrochene Eismasse in der Westantarktis zählt mit 6.000 Quadratkilometern zu den größten registrierten Eisbergen. Solche Abbrüche sind nicht ungewöhnlich. Immer wieder lösen sich gigantische Eisberge vom Schelfeis - jenen schwimmenden Eismassen, die mit Gletschern verbunden sind. Einige Beispiele:

  • Der größte durch Satellitenerkundung erfasste Koloss löste sich im März 2000 vom antarktischen Ross-Schelfeis. B15 - so der Name - war ursprünglich 11.600 Quadratkilometer groß. Von ihm brach später der Eisberg B15A ab, der 2005 noch mehr als 2.500 Quadratkilometer maß.
  • Ein anderer Gigant brach 2002 ebenfalls vom Ross-Schelfeis ab. Der C19 getaufte Eisberg war mehr als 6.000 Quadratkilometer groß.
  • Im selben Jahr brach vom Thwaites-Gletscher in der Westantarktis ein riesiger Eisberg ab. B22 bedeckte eine Fläche von etwa 5.500 Quadratkilometern.
  • Anfang 2010 löste sich vom Mertz-Gletscher im australischen Antarktis-Gebiet der Eisberg C28 mit einer Fläche von mehr als 2.500 Quadratkilometern. Zuvor war ein anderer Eisriese - ein Bruchstück des 1987 entstandenen, damals etwa 5.400 Quadratkilometer großen B9 - gegen die Gletscherzunge gekracht.