Nicht einmal ein Glas Wasser soll er während eines dreistündigen Treffens mit Verteidigern trinken dürfen, jede noch so kleine Interaktion wird überwacht. Zu groß ist offenbar die Sorge, dass Joaquin Guzman Loera, der Welt besser bekannt als "El Chapo", sich wieder einmal - irgendwie - aus den Fängen der Justiz befreien könnte.

Seit seiner Ankunft in den USA aus Mexiko vor zwei Wochen wird jeder Schritt des berüchtigten Drogenbosses genau überwacht. Nun soll ihm in New York der Prozess gemacht werden.

Einigen Sicherheitsleuten steht die Anspannung im Gerichtssaal am Freitag ins Gesicht geschrieben. Man solle sich während der Anhörung nicht bücken oder unter die Sitzbank greifen, bittet ein Marshal, der unter seinem Jackett eine schusssichere Weste trägt. "Sonst werde ich nervös." Er wippt von einem Fuß auf den anderen, immer wieder springt sein Blick von der Tür zu den Zuschauern, zur Richterbank und zurück.

Ausgeruht und konzentriert

Und dann tritt er in den Saal, ganz unscheinbar, im orangefarbenen T-Shirt und schwarzem Pullover des Gefängnisses in Manhattan, wo er in einem Hochsicherheitstrakt festgehalten wird. Der "Kurze" wirkt ausgeruht und konzentriert, als er den Gesprächen zwischen Richter Brian Cogan mit Staatsanwaltschaft und Verteidigern mit Hilfe eines Dolmetschers lauscht. Stumm blickt er vor sich auf den Tisch, hin und wieder wandern seine Augen mit fragendem Blick durch den Raum. Bis auf eine Nachfrage an seinen Spanisch-Übersetzter sagt er nichts.

Zehntausende Dokumente und Tausende Stunden Tonaufnahmen müssen beide Seiten in diesem Verfahren durchpflügen, bevor Cogan zu jedem der 17 Anklagepunkte gegen Guzman ein Urteil fällen kann. Bei einer Verurteilung in nur einem der Punkte, darunter Drogenschmuggel, Geldwäsche und illegaler Waffengebrauch, droht dem 59-Jährigen ein restliches Leben hinter Gittern. Die Todesstrafe, darauf haben sich die Behörden in Washington und Mexiko-Stadt geeinigt, droht nicht.

Richter Cogan sieht trotz oder gerade wegen der Schwere der Vorwürfe keinerlei Grund zur Eile und lässt sich auch von der Karriere des einst milliardenschweren Kokain-Unternehmers nicht beeindrucken. "Die öffentliche Geschichte dieses Angeklagten ist ein wenig ungewöhnlich", sagt Cogan trocken. Offenen Fragen der weitgehend technischen Anhörung am Freitag handelt er in aller Ruhe ab. Erst Anfang Mai soll die nächste Anhörung in New York stattfinden - der bevorstehende Prozess könnte Jahre dauern.

23 Stunden pro Tag hinter Gittern

Bis Mai wird Emma Aispuro, die extra aus Mexiko angereist ist, möglicherweise warten müssen, bis sie ihren Ehemann wiedersieht. Jeglicher Kontakt zu seiner Familie wurde Guzman, der derzeit nur seine Verteidiger treffen darf, bisher untersagt. Bis auf eine Stunde Bewegung sitzt er 23 Stunden am Tag hinter Gittern. Selbst im Gefangenenlager Guantanamo Bay auf Kuba seien die Zustände "angenehmer" und "entspannter" als im Manhattan Correctional Center, schrieb ein Ex-Insasse, der in beiden Gefängnissen inhaftiert war.

Verteidiger bezweifelt Rechtmäßigkeit der Auslieferung

Dass bei Guzmans überraschender Auslieferung an die USA alles mit rechten Dingen zuging, hält seine Verteidigerin Michelle Gelernt für fraglich. Auch zwei Wochen nach seiner Ankunft in den Vereinigten Staaten warten sie und ihr Team auf die Unterlagen des Vorgangs, die Vertreter der mexikanischen Regierung hielten diese unter Verschluss. Einige in Mexiko dürften sich die Hände reiben, dass ein Mann, der dort mehrfach entkommen konnte, nun fest im Griff der US-Justiz ist.

Richter Cogan scheint auch keinerlei Probleme darin zu sehen, wenn die USA den Fall Guzman ab hier allein in die Hand nehmen. Mit Blick auf für den Prozess benötigte Gerichtsunterlagen aus Mexiko sagt er in Richtung Staatsanwaltschaft und Verteidigung: "Wenn die Papiere öffentlich zugänglich sind, gehen Sie zum Gericht in Mexiko, machen Sie eine Kopie und legen Sie sie vor."