Erdbeben und heftige Schneefälle haben Mittelitalien am Mittwoch ins Chaos gestürzt. Vier Erdstöße mit Magnituden zwischen 5,3 und 5,7 in kurzer Folge in Tiefen von sieben bis 40 Kilometern haben am Vormittag die Region erschüttertet. In dem Gebiet hatten sich bereits im August und im Oktober schwere Beben ereignet, bei denen rund 300 Menschen starben. Die Einsatzkräfte haben einen Toten unter den Trümmern eines Gebäudes gefunden. Die Leiche sei in dem Ort Castel Castagna in der Provinz Teramo geborgen worden, teilte der Zivilschutz am Mittwochabend mit.

Die Epizentren lagen in der Region um die Stadt Amatrice, die im August großteils zerstört worden war. Damals kamen dort mehr als 200 Menschen ums Leben. Die Erschütterungen am Mittwoch waren bis nach Florenz und Rom deutlich zu spüren. In Amatrice und in der 2009 von einem Erdbeben zerstörten Abruzzen-Hauptstadt L'Aquila kam es zu einigen Schäden. So stürzten in Amatrice die letzten Reste des mittelalterlichen Turms der dem Heiligen Augustin geweihten Kirche ein, die bei den Beben im August und im Oktober noch erhalten geblieben waren. Berichte über Verletzte lagen nicht vor. "Ich begreife nicht, warum wir so bestraft werden", meinte der Bürgermeister von Amatrice, Sergio Pirozzi, sichtbar mitgenommen.

Mutter und Kind gerettet

Die Bevölkerung in der Erdbebenregion lief in Panik auf die Straßen. Erschwert wurde die Lage von heftigen Schneefällen und niedrigen Temperaturen. Eine Person wurde nach einer Lawine in Camposto, einer Berggemeinde nahe L ́Aquilas vermisst. Feuerwehrmannschaften konnten in Campotosto eine Mutter und ihr Kind aus den Trümmern ihrer Wohnung lebend bergen. Die beiden wurden unterkühlt mit einem Hubschrauber ins Spital eingeliefert.

Campotosto zählt zu den Gemeinden, die nach den heftigen Schneefällen der letzten Tagen schwer erreichbar sind. Hier lagen am Mittwoch zwei Meter Schnee. Soldaten waren im Einsatz, um die Straßen zu befreien. "Mehrere Gemeinden konnten nicht erreicht werden. Die Verkehrslage ist durchaus schwierig", berichtete Italiens Zivilschutzchef Fabrizio Curcio. 130.000 Haushalte zwischen den Abruzzen und den Marken meldeten wegen des Schnees Stromausfälle. 1.300 Fachleute der Stromgesellschaft Enel waren im Einsatz, um die Stromversorgung wieder zu aktivieren.

"Das wahre Problem ist der Schnee"

"Das wahre Problem ist nicht das Erdbeben, sondern der Schnee", sagte der Bürgermeister von Amatrice. Er forderte Räumfahrzeuge, um die Straßen wieder befahrbar zu machen. Mancherorts liege zwei Meter Schnee. Drei Viehzüchter, die am Vormittag als vermisst galten, wurden bei einer Suchaktion gefunden.

Zur Schneeräumung wurden auch Soldaten eingesetzt. Der italienische Premierminister Paolo Gentiloni will die Präsenz des Heeres im Erdbebengebiet erhöhen. Soldaten sollen die Hilfsaktionen koordinieren. Mehrere Bahnverbindungen zwischen den Regionen Latium und Abruzzen waren unterbrochen, weil die Sicherheit der Linien geprüft werden musste.

Die Erdbeben am Mittwoch sorgten für chaotische Zustände in Rom. In der italienischen Hauptstadt wurden vorsorglich U-Bahn-Stationen, Schulen und Bürogebäude evakuiert. Da die U-Bahn-Linien still standen, stürmten Passagiere Busse und Taxis. Die Lifte im Kolosseum waren aus Sicherheitsgründen ebenfalls außer Betrieb, Roms Wahrzeichen blieb jedoch weiterhin zugänglich.