Keine zwei Wochen nach dem Blutbad von Nizza hat ein tödlicher Anschlag auf eine Kirche Frankreich aufs Neue erschüttert. Zwei Angreifer drangen am Dienstagvormittag in eine katholische Kirche in der Nähe von Rouen ein und nahmen fünf Geiseln. Sie töteten einen Priester und verletzten einen weiteren Menschen schwer, er ist mittlerweile außer Lebensgefahr. Die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) beanspruchte die Tat für sich.

Das Ziel des Anschlags in einer französischen Kirche war nach Ansicht von Premierminister Manuel Valls ein "Krieg der Religionen". "Die Franzosen gegeneinander aufhetzen. Eine Religion angreifen, um einen Krieg der Religionen zu provozieren." Er rief die Franzosen auf, zusammenzustehen. "Unsere Antwort ist die Demokratie."

Die beiden von der Polizei erschossenen Angreifer - einer davon erst 19 Jahre jung -  seien "Soldaten des Islamischen Staates" gewesen, erklärte die IS-nahe Agentur Amaq kurz nach der Attacke. Auch der französische Präsident Francois Hollande erklärte, die beiden Männer, die von der Polizei erschossen wurden, hätten sich auf den IS berufen.

Ermittlungen laufen

Die Anti-Terror-Abteilung der Pariser Staatsanwaltschaft übernahm die Ermittlungen. In welcher Form sich die Täter zum IS bekannt haben oder in welcher Verbindung sie zu der Terrororganisation standen, gaben die Behörden zunächst nicht bekannt. Am Nachmittag nahm die französische Polizei einen Mann fest, machte aber zunächst weder Angaben zur Identität des Mannes noch zum Grund der Festnahme.

Nach Medienberichten war einer der beiden Angreifer den Sicherheitsbehörden offenbar bekannt. Zu dem Mann gebe es einen Eintrag in einer Datenbank mit Personen, die als radikalisiert eingestuft worden seien, berichtete die Nachrichtenagentur AFP unter Berufung auf Ermittlerkreise. Er habe im Vorjahr versucht, nach Syrien zu gelangen. Bei seiner Rückkehr sei ein Anklageverfahren gegen ihn wegen des Verdachts auf Verbindungen zu einer Terrororganisation eröffnet worden. Der Mann kam dem Bericht zufolge vorübergehend in Haft und wurde später mit einer elektronischen Fußfessel wieder freigelassen. Die Informationen von AFP stimmen mit Angaben des Senders iTele überein.

Weiter im Ausnahmezustand

Hollande sagte bei einem Besuch am Tatort in Saint-Etienne-du-Rouvray in der Nähe von Rouen, der IS habe den Krieg erklärt. "Wir werden diesen Krieg mit allen Mitteln führen", betonte der Staatschef. Erst vergangene Woche hatte das Parlament den nach den Pariser Anschlägen vom 13. November verhängten Ausnahmezustand um weitere sechs Monate verlängert.

Die Polizei schoss auf die beiden Täter, als sie die Kirche verließen - die genauen Umstände waren zunächst unklar. Französische Medien berichteten unter Berufung auf Polizeikreise, sie seien mit Hieb- oder Stichwaffen bewaffnet gewesen.

Großaufgebot der Einsatzkräfte

Der Bürgermeister des Ortes Saint-Etienne-du-Rouvray lud für Trauerbekundungen ins Rathaus. Er richte sich damit an die Bewohner von Saint-Etienne, aber auch an alle anderen, die sich an die Werte der Republik gebunden fühlten, hieß es in einer Mitteilung. Das Gefühl der Erschütterung reiche über das Gebiet der Stadt hinaus. "Nur wenige Tage nach dem Anschlag von Nizza stürzt es das Land als Gesamtes in tiefen Schmerz." 

In dieser Kirche in Saint-Etienne-du-Rouvray geschah die Tat:

"Ich schreie zu Gott", sagte der Erzbischof von Rouen, Dominique Lebrun. Frankreichs Premierminister Manuel Valls verurteilte eine "barbarische Attacke". "Ganz Frankreich und alle Katholiken sind verletzt worden. Wir stehen zusammen", schrieb er auf Twitter. Staatschef Hollande versprach den französischen Katholiken seine Unterstützung und setzte für Mittwoch ein Treffen mit den Vertretern der Glaubensgemeinschaften an. "Was diese Terroristen wollen, ist uns zu spalten."

Anteilnahme des Papstes

Papst Franziskus verurteilte die Geiselnahme als "sinnlose Gewalt". "Der Papst nimmt teil am Schmerz und am Grauen dieser sinnlosen Gewalt und verurteilt jede Form von Hass auf das Schärfste", erklärte Vatikan-Sprecher Federico Lombardi.

Auch die österreichische Regierung zeigte sich betroffen. Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) war "erschüttert über die bestialische Tat" und übte gleichzeitig Kritik an der Ansicht, der derzeitige Terrorismus in Europa hänge mit der Flüchtlingskrise zusammen. Vielmehr gehe dieser über die "unmittelbare Zuwanderung in Syrien" hinaus. Seiner Ansicht nach müsste eher "auf der Ebene der Integration eine Diskussion" gestartet werden, sagte er nach einem Treffen mit dem ungarischen Premier Viktor Orban in Budapest.

Vizekanzler Reinhold Mitterlehner (ÖVP) erklärte "volle Solidarität mit Frankreich" und betonte, dass Europa nun "mehr denn je gemeinsam gegen den internationalen Terrorismus kämpfen" müsse, wie er am Dienstag via Facebook und Twitter mitteilte. Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP) sprach von einem "Anschlag auf die Religionsfreiheit und die Bevölkerung, die den katholischen Glauben lebt".

Frankreich war in den vergangenen eineinhalb Jahren immer wieder das Ziel schwerer Anschläge. Zuletzt tötete ein 31-jähriger Tunesier 84 Menschen, als er am Nationalfeiertag mit einem Lastwagen in eine Menschenmenge auf dem Strandboulevard von Nizza raste. Die Polizei erschoss den Mann.

Seit den verheerenden Pariser Anschlägen mit 130 Toten gilt im Land der Ausnahmezustand, in der Hauptstadt patrouillieren schwer bewaffnete Soldaten. Im Frühjahr 2015 vereitelten die Sicherheitsbehörden nach offiziellen Angaben bereits einen geplanten Anschlag auf eine Kirche. Damals wurde ein 24-jähriger Student verhaftet.