Bei einem der schwersten Zugunglücke in Italien der vergangenen Jahrzehnte sind am Dienstag in der Nähe der Stadt Andria bei Bari in der süditalienischen Region Apulien mindestens 23 Personen ums Leben gekommen, 50 weitere wurden verletzt, fünf von ihnen lebensgefährlich, teilten die Rettungsmannschaften mit.

"Es ist ein Desaster"

Zwei Regionalzüge mit jeweils vier Waggons stießen gegen 11.30 Uhr auf einer eingleisigen Strecke unweit einer Kurve zwischen den Orten Corato und Andria frontal zusammen. Die demolierten und ineinander verkeilten Waggons wurden mit Hilfe eines Krans getrennt. "Es ist ein Desaster, als ob ein Flugzeug abgestürzt wäre", so der Bürgermeister von Corato, Massimo Mazzilli.

Dutzende Rettungsteams versuchten, in die Waggons zu gelangen, um die Verletzten zu bergen. Unter anderem wurde ein Kind aus den Trümmern geholt. Die Rettungsmannschaften entdeckten die Leichen einer Mutter und ihrer jungen Tochter. Viele Studenten und Pendler befanden sich in dem Regionalzug, der von dem privaten Unternehmen Ferrotramviaria betrieben werde. Zu den Toten zählt einer der Lokführer. Zum Schicksal des zweiten Lokführers gab es vorläufig keine Informationen.

Renzi besuchte Unfallort

Zahlreiche Rettungsfahrzeuge, Krankenwagen, Polizisten und Feuerwehrleute waren im Einsatz. Die Bevölkerung wurde zum Blutspenden aufgerufen, Ärzte und Krankenschwestern, die dienstfrei hatten, wurden zu Hilfe gerufen.

Regierungschef Matteo Renzi verlangte eine rasche Klärung der Ursache des Unglücks und sprach Opfern und Hinterbliebenen sein Mitgefühl aus. Er unterbrach einen Besuch in Mailand und traf am Nachmittag am Unfallort ein. Verkehrsminister Graziano Delrio sprach von einer "riesigen Tragödie" und kündigte die Einrichtung einer Untersuchungskommission an. Präsident Sergio Mattarella sprach von einer "unannehmbaren Katastrophe" und verlangte eine rasche Aufklärungsarbeit. Papst Franziskus hat den Angehörigen der Todesopfer kondoliert. In einem Schreiben an den Bischof der Stadt Bari erklärte der Heilige Vater, er bete für die Todesopfer, die Verletzten und ihre Familienangehörigen.

Menschliches Versagen wird als Ursache des Unglücks nicht ausgeschlossen. Der Konsumentenschutzverband Codacons wies auf die Vernachlässigung des regionalen Bahnnetzes in Süditalien hin.

Schwere Bahnunglücke in Europa

Februar 2016 - Deutschland: Zwölf Menschen sterben beim schwersten Zugsunglück in Bayern seit gut 40 Jahren. Auf der eingleisigen Strecke zwischen Rosenheim und Holzkirchen rasen in Bad Aibling zwei Nahverkehrszüge frontal ineinander. Gegen den Fahrdiensteiter wird ermittelt.

Juli 2013 - Spanien: Beim schwersten Bahnunglück in Spanien seit 1972 kommen nahe der Pilgerstadt Santiago de Compostela 80 Menschen ums Leben, 144 werden verletzt. Der Hochgeschwindigkeitszug biegt kurz vor dem Bahnhof zu schnell in eine Kurve und entgleist.

März 2012 - Polen: 16 Menschen kommen ums Leben, als zwei Züge mit insgesamt 350 Insassen frontal ineinanderrasen. Bei dem Unglück nahe Zawiercie, nördlich von Krakau, werden etwa 50 Menschen verletzt.

Februar 2010 - Belgien: Im morgendlichen Berufsverkehr übersieht ein Lokführer nahe Brüssel ein Stoppsignal. Zwei Regionalzüge prallen zusammen. 18 Menschen sterben, rund 80 werden verletzt.

Juni 2009 - Italien: Am Bahnhof von Viareggio in der Toskana explodiert ein mit Flüssiggas beladener Güterwagen. Er war nach einem Achsbruch entgleist. 31 Menschen sterben, etwa 1.000 müssen in Sicherheit gebracht werden.

Jänner 2006 - Montenegro: Nahe der Hauptstadt Podgorica entgleist ein Regionalzug, vier Waggons stürzen in eine Schlucht. 44 Menschen kommen ums Leben, 198 werden verletzt. Die Bremsen hatten versagt.

Jänner 2005 - Italien: Auf der eingleisigen Strecke Bologna-Verona prallen ein Passagierzug und ein Güterzug zusammen. 17 Menschen sterben. Ein Lokführer hatte bei dichtem Nebel ein Haltesignal übersehen.

Februar 2002 - Österreich: Auf der Pottendorfer Linie in unmittelbarer Nähe des Bahnhofes Wampersdorf in Niederösterreich kracht ein Güterzug gegen eine Rollende Landstraße. Sechs Tote sind die Folge, 16 Personen werden verletzt. Ursache ist ein Bremsdefekt.

Juni 1998 - Deutschland: Bei Eschede in Niedersachsen zerschellen Waggons eines ICE an einer Straßenbrücke. 101 Reisende sterben, Dutzende werden schwer verletzt. Ein gebrochener Radreifen hatte den Zug zum Entgleisen gebracht.