Der Stern glänzte im Verborgenen. Nicht hell strahlend am Firmament, sondern eher bodenständig und im wahrsten Sinne gut verwurzelt. „Eigentlich habe ich ja nach einem Saurer Ausschau gehalten. Aber dann hat der Schrotthändler uns von diesem Mercedes erzählt.“ Ein L3000 mit Niederrahmen, Baujahr 1938 – genau dem Gründungsjahr der Spedition seines Vaters – das konnte sich der Niklasdorfer für die 50-Jahre-Feier des Familienbetriebs nicht entgehen lassen. Also ging es fünf Kilometer hinein in den tiefen Wald. Baumstämme mit dem Lkw aus dem Unterholz zu bringen, damit hatte Max Zottler ja viel Erfahrung. Aber einen Lkw ebendort zu bergen, das war etwas anderes. 

Der Rest lief dann fast schon als entspannende Routine: Rettbare Teile aufbereiten, die Fahrerkabine eines anderen Exemplares überarbeiten, alles sandstrahlen, lackieren, reparieren und wieder zusammenbauen – fertig. 1800 Stunden hat Zottler für seine erste Lkw-Restaurierung gebraucht, dabei ging alles vor knapp 30 Jahren eher zufällig los.  

„Anfang der 1980er bin ich in meiner Freizeit Autorennen gefahren. Tourenwagen, Bergrennen, war sogar mehrmals österreichischer Meister. Aber irgendwann war es genug und ich habe mir etwas Neues gesucht. Jeder Mensch braucht schließlich ein Hobby.“ Da Freunde mit historischen Motorrädern unterwegs waren, startete Max Zottler auf diesem Gebiet, restaurierte die ersten Exemplare. Langsam hantelte er sich über zwei zu vier Rädern, aber für 1988, dem fünfzigsten Jubiläum der eigenen Firma, da musste es etwas besonderes sein: ein Lkw, genau so alt wie die eigene Spedition. Am besten einer von der Marke, die Zottler Transporte von Anfang an begleitete.  

Die Österreichische Saurerwerke AG war eine Firma aus Wien, die seit 1906 in Lizenz Modelle des Schweizers Adolph Saurer herstellte. Nach dem zweiten Weltkrieg blühte das Werk richtig auf. Es gab von Panzern über Lkw bis hin zu Reisebussen und eigener Motorenproduktion eine breite Palette an Nutzfahrzeugen. Zu breit – denn wirtschaftliche Turbulenzen führten dazu, dass 1959 Steyr-Daimler-Puch die Aktienmehrheit übernahm. 1969 endete die Produktion. „Ich hatte immer schon eine Affinität für Saurer“, erzählt Max bescheiden von den Anfängen der Sammlung, die recht schnell riesige Ausmaße annahm.  

Da wäre neben besagtem Mercedes und einem Opel Blitz, ebenfalls von 1938 zum Beispiel ein Saurer 3BH von der Sägebringung, der seinerzeit von Auszubildenden in der Lehrwerkstatt von Saurer restauriert wurde. Oder ein Eiswagen der Vereinigten Eisfabriken mit Holzführerkabine. „So wurden damals Eisblöcke ausgeliefert, das kann man sich heute ja gar nicht mehr vorstellen. Und weil die Eisfabriken Nachbarn von Saurer waren, haben sie tradtionell deren Lkw gekauft.“ Besonders spannend: ein Prototyp von 1969 – der einzige seiner Art. „Den musste ich unbedingt haben. Aber nach dem Ende von Saurer 1972 wollten sie ihn mir dann doch nicht verkaufen.“ Das Einzelstück durfte noch zweieinhalb Jahre als Abschleppwagen arbeiten, ehe er völlig heruntergewirtschaftet und mit gebrochenem Rahmen nach Niklasdorf ging. Und ganz hinten im Eck der Halle steht noch ein 60A. „Der ist sogar aus unserer Firma, aber der braucht noch Arbeit.“ 

Lackierte Fahrerkabinen warten auf ihre Fertigstellung, frisch lackierte Exemplare stehen für weitere Arbeiten in der Werkstatt bereit – mit makellosen Spaltmaßen und so glatten Oberflächen, dass man sich fragt, ob je ein Nutzfahrzeug mit so hoher Präzision gebaut worden ist. „Da musst du schon geschickt sein, denn Ersatzteile gibt es praktisch keine. Aber das ist der Reiz: Ich mache etwas, was die anderen nicht machen.“ Türhäute, Scharniere, nichts was nicht selbst hergestellt werden kann. „Sogar Holzleisten fertigen wir mittlerweile selber.“ 

Was sich nach einer klassischen Oldtimersammlung anhört, war vor mehr als 20 Jahren noch komplettes Neuland. „Ich bin sicher ein Pionier der Szene. Alte Lkw sammelt man ja nicht. Ich musste auch mit meiner Frau viel diskutieren, aber im Endeffekt hat dann sogar die Wirtschaftskammer mitgespielt.“ Zottler rief die Leobener Nutzfahrzeugtage ins Leben, schrieb zwei Bücher über das Thema und kümmerte sich vor allem um eine Gesetzesänderung, damit auch Lastwagen als historische Fahrzeuge anerkannt werden, die sogar am Wochenende bewegt werden dürfen. „Im Endeffekt möchte ich technisches Kulturgut erhalten. Und es ist immer wieder erstaunlich, wie die Leute reagieren. Einem Oldie-Truck winken sie freundlich zu, aber die Neuen verteufeln sie.“ 

Eine unglaubliche Ansammlung vergangener Helden der Landstraße – teils fabriksneu restauriert, teils nur feinfühlig aufgepeppelt, um von der originalen Substanz so wenig wie möglich aufzugeben. „Mit der Zeit bin ich vom Glanz immer mehr abgekommen“, erzählt der Unternehmer vom Wandel der Oldtimerszene, nicht alles zu Tode zu restaurieren, sondern die Spuren der Zeit so gut es geht zu konservieren. Trotzdem stecken in jedem Exemplar mindestens 1,5 Jahre Arbeit. Wie schafft man das neben dem Job? „Ja da muss man schon konsequent sein. Ich bin aber immer erst nach 17 Uhr basteln gegangen. Und nie vor den Mitarbeitern, weil wie schaut denn das aus, wenn der Chef seinem Hobby frönt, alle anderen aber noch schuften müssen. Meine Hochachtung gebührt jedoch meiner Frau, dass sie das ausgehalten hat.“ Frau Zottler sitzt im Nebenbüro und muss lachen. Immerhin bleibt ihr Gemahl meist in der Werkstatt nebenan. „Ich schraube ja lieber als dass ich damit fahre. Und es ist jedes Mal aufs Neue diese unvergleichliche Spannung beim ersten Startversuch. Passt alles? Habe ich etwas übersehen? Das ist der Höhepunkt, auf den ich hinfiebere.“ 

Vier Brummis warten noch auf ihre Fertigstellung, aber fertig ist der passionierte Schrauber damit noch lange nicht. „Mit den Lkw ist es dann genug, aber jetzt sind die Busse dran.“ Ein Schweizer, der bei den Nutzfahrzeugtagen zu Gast war, kam mit dieser Idee daher. Und nicht nur, dass sich mittlerweile zwei Reisebusse von Saurer und einer von Steyr zwischen den Lastkraftwagen tummeln – die großzügig verglasten und freundlich dreinschauenden Modelle aus den 1950ern wirken wie ein Magnet auf das Publikum. „Schaut's her mal!“, ruft der Chef und lässt auf Knopfdruck das Faltverdeck eines Saurer nach hinten fahren. Sofort tauchen Bilder von der Großglockner Hochalpenstraße auf, den klassischen Urlaubsreisen. Ein Gefühl wie in einem 40-sitzigen Cabrio. „Es herrscht eine erstaunliche Nachfrage nach Nostalgiereisen“, ergänzt Zottler, „Und der beliebteste bei den Leuten ist der Steyr-Bus von 1952." So beliebt, dass er in den Sommermonaten jedes Wochenende im Einsatz ist und durch die schönsten Ecken des Landes kurvt. Zwar nur mit maximal 80 km/h. Aber eilig hat es an Bord niemand. 

Natürlich ist auch dieses Exemplar komplett aufgearbeitet worden. „Wobei es immer am schwierigsten ist, die Sitze aufzutreiben. Meist bekommen wir die Busse ja komplett ausgeräumt. Und allein für die Holzleisten im Innenraum haben wir zwei Monate gebraucht.“ 

Ob dann wirklich Schluss ist? Ein Schelm, der Böses denkt, wenn er das Funkeln in den Augen des Herrn Zottler sieht, den alle in der Szene nur Diesel-Max nennen. Jetzt, wo sein Sohn die Spedition übernommen hat, kann er sich noch um eine alte Liebe kümmern, die wie der Mercedes von 1938 in der Pampa darauf wartet, wachgeküsst zu werden. „Da gibt es irgendwo in einem italienischen Steinbruch einen alten Lkw von Alfa Romeo. Ich bin zwar früher mit den GTA Rennen gefahren. Aber dass die Lastwagen gebaut haben, wusste sogar ich nicht.“