E-Mobility, Smart Home, Elektrofahrräder, E-Mopeds und natürlich die versammelte Flotte von mit Strom betriebenen Autos. Volt und Ampere als Antriebsquelle finden sich mittlerweile in zahlreichen Formen und Größen der Mobilität – nur einer Kategorie hat man bisher keine Spannung angelegt: die der schweren Nutzfahrzeuge.  

Der Grund ist einleuchtend: Sattelschlepper mit einem Gesamtgewicht von gerne einmal 30 Tonnen würden mit der derzeit verfügbaren Akkutechnik nur eine lächerliche Reichweite erreichen. Entsprechend große und schwere Batterien kommen aber nicht in Frage, schließlich zählt bei keiner anderen Fahrzeugklasse Leichtbau mehr als bei den Riesen der Landstraße – je weniger Eigengewicht, desto mehr Fracht darf transportiert werden. Fernverkehr ist kein hohler Begriff, und da Zeit Geld ist, möchte kein Frächter seine Fahrer stundenlang an irgendeiner Ladestation warten sehen. 

Der eTruck von MAN könnte 2021 in Serie gehen. Seine Reichweite soll bei 200 Kilometern liegen, und vom Band könnte er im österreichischen Steyr laufen.
Der eTruck von MAN könnte 2021 in Serie gehen. Seine Reichweite soll bei 200 Kilometern liegen, und vom Band könnte er im österreichischen Steyr laufen. © Lothar Reichel

Was noch dazu kommt: Die derzeitige Abgasproblematik geht an den Lkw weitestgehend vorbei. Nachdem es keine Prüfstände gibt, die groß genug sind, um Zugfahrzeuge aufzunehmen, werden diese Fahrzeuge schon die längste Zeit auf der Straße gemessen. Im realen Leben stoßen die großen Selbstzündertriebwerke mit gut und gerne einmal 12 Litern Hubraum also weniger Stickoxide aus als manch moderner Pkw – so paradox das klingen mag. 

Doch die Technik schreitet voran: Die Batteriekosten sollen im Zeitraum zwischen 1997 und 2025 um voraussichtlich 60 Prozent sinken. Gleichzeitig wird sich die Leistung der Stromspeicher nach derzeitigen Erkenntnissen im gleichen Zeitraum um 250 Prozent steigern. Wirtschaftlich könnten elektrisch betriebene Sattelschlepper also durchaus einen Sinn ergeben – spätestens dann, wenn in vielen Städten emissionsfreies Fahren zur Pflicht wird. Und tatsächlich gibt es bereits erste Lösungsvorschläge, wie die Nahversorgung künftig ohne Diesel als Kraftstoff auskommen kann. 

Made in Steyr. Bereits seit acht Jahren beschäftigt sich MAN mit der Idee, den sogenannten städtischen Verteilerverkehr auf Strombetrieb umzustellen. Viele Probleme gab es zu lösen, manche Technologie war noch nicht ausgereift, aber jetzt ist es endlich soweit: Der eTruck geht in die Erprobung. Ausgelegt für zwölf bis 26 Tonnen zulässiges Gesamtgewicht soll der auf der TGS-Sattelzugmaschine basierende Prototyp die gleiche Nutzbarkeit aufweisen wie seine Kollegen mit Verbrennungsmotor, gleichzeitig aber um 40 Prozent weniger CO2 ausstoßen und um 19 Prozent leiser unterwegs sein. Als Antrieb fungiert ein E-Motor mit 350 Kilowatt Leistung und 3500 Newtonmetern Drehmoment, der seine Kraft direkt über die Kardanwelle an die Antriebsräder weiterreicht. 

Mercedes-Benz urban eTruck
Mercedes-Benz urban eTruck © Daimler AG

Interessant auch das weitere Einsparungspotenzial: Sämtliche Nebenaggregate wie Lenkung, Luftkompressor und Klimaanlage laufen rein elektrisch, können also bei Bedarf zugeschaltet werden. Im Vergleich zum Hubkolben-Modell, bei dem diese Aggregate über Keilriemen permanent mitlaufen. Die Reichweite gibt MAN derzeit noch mit überschaubaren 100 Kilometern an. Selbst wenn es in der Praxis nur 90 sind – innerstädtisch reicht das für viele Belange locker – und wenn nicht: Laut MAN soll die nächste Generation bereits 200 Kilometer weit kommen.

Bis es aber so weit ist, dauert es noch. Die Autos fahren zwar, aber derzeit nur in einer groß angelegten Langzeiterprobung. Neun Speditionen erhalten Ende des Jahres ihre Testfahrzeuge. Und weil die Frage bestimmt auftauchen wird: Am Schnelllader dauert es laut Hersteller eine Stunde, bis die Akkus wieder randvoll sind. Wie der Fahrplan des eTruck aussieht? Nach der Erprobungsphase soll 2019 zuerst ein vollelektrischer Stadtbus lanciert werden, ehe es 2021 dann mit der Serienfertigung des E-Lkw los geht. Wie es derzeit aussieht, sogar im MAN-Werk in Steyr.  

Die Euro-Tonne. Mit einer deutlich futuristischeren Optik versehen, ist der Urban eTruck von Mercedes-Benz. Auch er basiert auf einem schweren Verteiler-Lkw mit drei Achsen, wobei eine der beiden hinteren von zwei Radnabenmotoren angetrieben wird. Abgeleitet von der Technik des Citaro-Hybrid-Busses beläuft sich die Leistung auf 125 Kilowatt und 500 Newtonmeter – pro Rad. In Verbindung mit der speziellen Übersetzung klettert das maximale Drehmoment auf schwer vorstellbare aber umso beeindruckendere 11.000 Newtonmeter. 

Die Reichweite gibt Mercedes mit 200 Kilometern an, wofür der 26-Tonner auf modular aufgebaute Lithium-Ionen-Akkupakete mit 212 kWh Gesamtkapazität zurück greift. Zum Vergleich: Elektrisch angetriebene Pkw mit ähnlicher Reichweite verfügen über nicht einmal 40 kWh. Dass die Batterien in nur zwei bis drei Stunden wieder aufgeladen sein sollen, klingt zwar sensationell. Mercedes setzt dafür aber eine Ladeleistung von 100 kW voraus, die derzeit jedoch noch nicht so leicht aufzutreiben ist. 

Ein so gewaltiger Akku geht natürlich aufs Gewicht. Rund 1,7 Tonnen muss der Urban eTruck im Vergleich zu herkömmlich angetriebenen Exemplaren dieser Größe stemmen. Das schränkt die Nutzlast ziemlich heftig ein, aber die EU-Kommission unterstützt eine Erhöhung des zulässigen Gesamtgewichts für Lastkraftwagen mit Alternativantrieb um bis zu eine Tonne – somit läge der Gewichtsnachteil bei nur mehr 700 Kilogramm. Das reicht Mercedes, um heuer mit einem Testbetrieb zu starten. 

Monster mit 1000 PS und 1900 Kilometern Reichweite: der Nikola One mit Brennstoff- zelle
Monster mit 1000 PS und 1900 Kilometern Reichweite: der Nikola One mit Brennstoff- zelle © KK

Mit 20 potenziellen Kunden aus der Entsorgungs-, Lebensmittel- und Logistikbranche wird gerade verhandelt, die ihre Exemplare für zwölf Monate zur Verfügung gestellt bekommen – inklusive speziellem Ladegerät. Mit den so gewonnenen Daten möchte man die Entwicklung weiter voran treiben, um 2020 mit der Serienproduktion beginnen zu können. 

Die Gratis-Million. Einen anderen Weg geht ein neuer Spieler aus den USA. Sein Name: Nikola Motor Co. Wer sich bei dem Namen jetzt am Kopf kratzt – richtig, Nikola ist der Vorname jenes Elektro-Genies, dessen Nachname bereits ein anderes Unternehmen dieser Branche ziert: Tesla. Doch im Gegensatz zur versammelten Konkurrenz geht Nikola den Weg des Wasserstoff-Konzepts. Und im Detail klingt die Idee dahinter durchaus clever und ungewöhnlich. 

So kommt im Nikola One getauften Erstlingswerk eine Brennstoffzelle zum Einsatz, die über einen E-Motor direkt auf die Antriebsräder wirkt, und zusätzlich die Batterien mit frischem Strom speist. Knapp 1000 Kilowattstunden beträgt deren Fassungsvermögen, was für Reichweiten von bis zu 1900 Kilometern reichen soll. Ein echtes Kaufargument für die Spediteure dieser Welt – kommen doch klassische Diesel-Lkw am Stück nur um die 1000 Kilometer weit.  

Die so gewonnenen 1000 PS (!) sollten für die erlaubten Kapazitätsgrenzen locker genügen. Zugleich reicht die Leistung, um den One in nur 30 Sekunden auf 100 km/h zu beschleunigen. Handelsübliche Modelle benötigen dafür fast doppelt so lang, was allerdings ein kleiner Marketing-Gag ist, liegt die erlaubte Höchstgeschwindigkeit ja bei Tempo 80. Aber in Amerika läuft halt vieles anders, und da verwundert es auch nicht, dass Nikola den ersten 5000 Käufern kostenlose Füllungen bei den 20 firmeneigenen Tankstellen verspricht. Und zwar bis zu einer Laufleistung von einer Millionen Meilen. 

Ladehemmung. Und dann gibt es da noch Tesla selbst. „Dieses Biest verdient es, gesehen zu werden. Es ist unglaublich", schwärmte Firmenchef Elon Musk auf Twitter über den Semi getauften Truck-Prototypen. Das kalifornische Unternehmen hat die Lancierung auch schon seit mehr als einem Jahr angekündigt, die Präsentation wurde aber immer wieder verschoben. Jetzt soll es im November soweit sein – und zwar wirklich. Irgendwelche Eckdaten zum neuen Modell? Es handelt sich um eine vollwertige Zugmaschine, weswegen auch der Name (abgeleitet von der amerikanischen Bezeichnung für Sattelaufleger) gewählt wurde. Mehr als 500 Kilometer Reichweite wird es nicht spielen, womit der Semi nur für kurze Etappen einsetzbar wäre. Folglich bekommt er auch nur eine Tageskabine, also ohne Schlafkoje für den Fahrer. Aber sonst? Leider nichts bekannt. 

Mut zur Nische. Ist der elektrisch angetriebene Lkw also nur Zukunftsmusik? Zumindest fast überall – denn ausgerechnet in der scheinbar so konservativen Schweiz gehören E-Laster schon seit Jahren zum Straßenbild. EForce nennt sich ein Anbieter, der 18-Tonner von Iveco  umbaut und verkauft. Zwei E-Motoren erzeugen rund 400 PS, die 87 km/h Höchstgeschwindigkeit sind für den Nahverkehr und die örtlichen Tempolimits mehr als genug, zumal die Reichweite mit knapp 300 Kilometern schon jetzt deutlich höher liegt als jene der Konkurrenz. Und dass die Ladezeit der zwei 120-kWh-Akkus rund sechs Stunden dauert, ist nicht so tragisch – sie können nämlich innerhalb von fünf Minuten einfach ausgetauscht werden.