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Der Sprung ins kühle Nass gehört zum Sommer zwar genauso dazu wie ein bunter Eisbecher, aber so war das eher nicht gemeint: Kaum haben die drei Cabrios ihre Hauben abgenommen, tauchen prompt erste Gewitterwolken auf. Nicht, dass man es ihnen übel nehmen könnte, Mercedes SL 500, Mini Cabrio und Porsche 718 Boxster gelten jeweils als echter Blickfang. Aber die Sonne wäre uns als Gast bei dieser Ausfahrt dann doch lieber gewesen. Andererseits: Ein Sommergewitter zu erleben, die Spannung zu spüren, wenn aufgeheizter Asphalt und kaltes Wasser aufeinandertreffen, das geht am besten ohne Dach über dem Kopf. Klingt ein wenig verrückt? Alles andere jedenfalls als langweilig – und es zeigt eines besonders deutlich: Cabrios machen bei jedem Wetter Spaß.

Nicht umsonst sind sie Naturburschen, Lebenseinstellung und Statement zugleich. Sie lassen die Insassen die Landschaft in vollen Zügen genießen. Wer sich ein Cabrio kauft, macht dies nie aus rein nüchternen Beweggründen. Es gibt sie als Zwei- und Viersitzer, mit Stoff- und Metallverdeck, in so unterschiedlichen Ausprägungen, dass als einzige Gemeinsamkeit nur eines bleibt: die unbegrenzte Kopffreiheit. Und dieses breite Spektrum an Sonnenanbetern wollen wir heute anhand der drei Prachtburschen präsentieren.

Da wäre zum einen das neue Mini Cabrio: ein Charmeur erster Güte mit unwiderstehlichen Formen, Platz für vier und einer Heckklappe, die praktischerweise nicht nach oben, sondern nach unten öffnet. Das Stoffdach kann nicht einfach nur geöffnet werden. Es tut dies in zwei Schritten: Zuerst schiebt sich die vordere Verdeckhälfte leise surrend nach hinten. Erst dann faltet sich die komplette Konstruktion zusammen.

British Open

Nicht nur deswegen haben sich die Konstrukteure ein großes Lob verdient: Sie brachten es zustande, dass die Stoffhaube im geschlossenen Zustand der Dachform des verlöteten Minis erstaunlich nahekommt. Eine reife Leistung, wenn man bedenkt, wie würfelig der Brite normalerweise aussieht. Die steile Windschutzscheibe blieb natürlich bestehen, was einen ganz besonderen Effekt erzielt: Aufgrund ihrer aufrechten Position endet sie weit vor den Köpfen der Insassen. Man sitzt also wirklich im Freien, und schnell fällt einem der letzte Urlaub ein, wo man ähnlich entspannt auf einem Liegestuhl unter der Sonne brutzelte.

Aber von faulem Herumdösen hält der Mini wenig. Sein Name verpflichtet schließlich, und daher gelten alle Lorbeeren, was das knackige Fahrverhalten betrifft, auch für die Open-Air-Version. Eine spontane Lenkung sowie hochagiles Kurvenwedeln dank minimalster Überhänge machen die Fahrt im Mini zu etwas ganz Besonderem.

Erstaunlich, wenn man bedenkt, dass die Berufung der Cabrios zu Beginn eine völlig andere war. Und streng genommen, war das erste Auto bereits ein Cabrio: Herr Benz, Herr Marcus und all die anderen Pioniere des Automobils saßen lange Jahre völlig im Freien. Innovationen wie die Windschutzscheibe galten als großer Wurf, aber trotzdem wünschte sich der Automobilist der Frühzeit nichts sehnlicher als eine geschlossene Karosserie, die einen endlich vor Wind und Kälte schützen sollte.

Später, wir schreiben schon die 1930er-Jahre, galt ein offener Zweisitzer als Inbegriff der Sportlichkeit. Dinge wie ein Blechdach galten als unnötiger Ballast, und wirklich nur für den äußersten Notfall gab es die Möglichkeit, eine Art Verdeck aufzuspannen, das eher einer Plane glich und dermaßen undicht war, dass man oft trockener blieb, wenn man es gleich unten ließ: Zum einen hätte man für die zeitraubende Montage stehen bleiben müssen. Zum anderen dauerte die Montage so lange, dass der Regenguss schon wieder vorbei war, bevor die Haube richtig saß. Und gegen Fahrtwind sowie Regentropfen schützen Ledermasken und Fliegerbrillen ohnehin besser.

Fliegerbrillen, ein gutes Stichwort für den Porsche 718 Boxster. In diesem Trio stellt er den reinrassigen Athleten dar. Gebaut, um möglichst viele G-Kräfte aus jeder Kurve zu quetschen. Um nicht nur den Puls, sondern auch den restlichen Körper des Fahrers so rasant wie möglich zu beschleunigen. Gleichzeitig schlägt er in keiner Disziplin über die Strenge – erst recht in seiner neuesten Auflage. Diese kommt in den Genuss komplett neuer Motoren. Statt frei saugender Sechszylinder tummeln sich nun drahtige Vierzylinder-Turbos im Heck. Ladedruck liegt gefühlt ab der ersten Drehzahl an, der Wagen wirkt stets bereit zum Sprung.

Boxer Club

Dass es bei einem Cabrio nicht nur um den Antrieb geht, ist schon klar. Aber so ganz nah am Herzen des Autos (dank Mittelmotorbauweise schlummert der Boxer direkt hinter den Sitzen) bekommt man vom Einatmen des Turbos, vom Puls des Vierzylinders und vom markant tönenden Sportauspuff wesentlich mehr mit als bei der geschlossenen Variante namens Cayman. Entsprechend unverfälscht der Genuss: Drehzahlmesser und Tachometer braucht man nicht, die Aggregatzustände erfassen die Ohren besser als die Augen. Bremsen und Fahrwerk sind so trocken abgeschmeckt wie ein Martini und verstehen keinen Spaß, wenn es um ihren Job geht. Hier wird nicht lange diskutiert, was man mit den Wünschen des Fahrers anstellt, die er über Pedale und Lenkrad abgibt: Kurve voraus, und – zack, einlenken!

Da verwundert es nicht, dass der Boxster das Thema Offenfahren ähnlich sportlich angeht wie das Fahren an sich. Weit unten kauert man in den Sportsitzen und die sanfte Brise, die durch den Innenraum weht, hat mit dem forschen Ladedruck des Turboladers aber überhaupt nichts gemeinsam. Eine durchtrainierte Herangehensweise an das Thema Cabrio, auf die seine Vorfahren aus dem letzten Jahrhundert mehr als stolz gewesen wären.

Zu Recht, denn in den fetten Nachkriegsjahren setzte das dachlose Automobil deutlich Wohlstandsspeck an. Wir wurden alle bequemer und wollten lieber eine Designerfrisur statt einer Ledermütze tragen. Als sportliche Ideale galten auf einmal Coupés, und das Cabrio mutierte zum Life­styleobjekt, mit dem man sich bequem vor dem In-Café in eine Parklücke fallen ließ. Immer dickere und besser gepolsterte Verdecke, Überrollbügel und weitere Sicherheitsmaßnahmen erhöhten das Gewicht der Frisch­luftkutschen, bis irgendwann alles vorbei war. Die Achtzigerjahre brachten neue Strömungen, knackige Kompakte, komfortable Kombis, gediegene Geländewagen – nur das Cabrio ging in dieser neuen Vielfalt, bei der immer eine gehörige Portion Vernunft mitschwang, unter. Erst in den letzten 25 Jahren entdeckten wir unsere alte Liebe neu. Und hier stehen wir nun, mit drei Vertretern ihrer Gattung – und genau jetzt zieht sich der Himmel sein Verdeck über.

Leistungsschau auf dem trockenen Parkdeck
Leistungsschau auf dem trockenen Parkdeck © Oliver Wolf

Freiluftkonzert mit acht Bläsern

Und gedonnert hat es auch schon! Aber nicht aus den Wolken, sondern aus den Auspuffrohren des Mercedes SL 500. Sein V8-Biturbo erwacht auf Knopfdruck mit dumpfer Stimme. Nicht rotzfrech, sondern gediegen und dominant, was perfekt zum aristokratischen Wesen des SL passt. Nichts an dem Zweisitzer mit Metallfaltdach wirkt unedel. Jedes Detail, jeder Schalter, alles vermittelt das Gefühl, persönlich vom Vorstandsvorsitzenden abgesegnet worden zu sein. Mehr noch: Könnte man Mercedes-Benz in eine Tube füllen und die Essenz davon zu einem Auto formen, es würde so aussehen wie der SL 500.

Genauso vollendet fühlt sich dieses Stück Best-of-Stuttgart auch an: Man residiert auf feinstem Leder, wählt sich im Automatikgetriebe durch ein delikates Neungängemenü und lauscht andächtig dem Bläserkonzert der achtköpfigen Band unter der langen Motorhaube. Logisch, dass einem ein so zuvorkommendes Automobil nicht nur die Wahl zwischen offenem und geschlossenem Verdeck gibt. Auf Knopfdruck verschwindet die Tönung des oberen Dach­elements wie von Zauberhand und Tageslicht erhellt wie in einem Wintergarten den Innenraum. Erhabene Wesenszüge, die der SL auch auf der Straße pflegt: Seine Gäste hält er gekonnt von Schlaglöchern fern, der Fahrtwind haucht mit sanfter Stimme an den Insassen vorbei, um nur kurz Hallo zu sagen.

Mit dem SL fährt man nicht. Man reist, wobei die Reise schnell zum Aktivurlaub werden kann. Denn der SL hat viel gelernt. Das Fahrwerk beherrscht die wattierte Gangart genauso gut wie das forsche Dahinstürmen. Doch über all dem thront das Erlebnis der glorreichen Acht, die dank ihrer zwei Turbos das Wesen der streichelweichen Urgewalt innehaben. Nur wenige Millimeter am Gas reichen, um das gewaltige Potenzial zu erahnen, das dieser Drehmomentberg lostreten könnte. Dies aber nie tun würde, denn so voll die Vorratskammer mit erlesenen Weinen auch sein mag – die Dosis macht den wahren Genuss erst aus. Einmal jugendlich, einmal sportlich, einmal gediegen, unsere offenherzigen Freunde könnten unterschiedlicher kaum sein. Und während sich alle drei am Ende des Tages ihre Hauben wieder überstülpen, taucht die unvermeidliche Frage auf: Wer ist denn nun der Beste? – Alles reine Geschmacksache.