So sehr wie an diesem Dezemberabend bebte die Mercedes-Benz-Arena in Stuttgart noch nie. Doch fesselte die mehr als 30.000 Zuschauer dieses Mal nicht König Fußball, sondern ein historisches Ereignis mit jeder Menge PS. Mercedes feierte nämlich gebührend sein erfolgreichstes Jahr im Motorsport. Die ADAC GT Masters, die Formel 3, die DTM und natürlich die Formel 1 – alle Rennserien, an denen die Stuttgarter teilnahmen, haben sie auch gewonnen.

Das gab es noch nie, und dennoch – der schönste Sieg ist immer der nächste. Während also noch eifrig gefeiert wurde, grübelten im englischen Brixworth bei Mercedes High Performance Powertrains schon längst die schlauesten Köpfe des Entwicklerteams, wie man den Formel-1-Motor für die kommende Saison noch weiter verbessern kann. Keine einfache Aufgabe – die Mannschaft rund um Motorenchef Andy Cowell muss sich an ein enges Korsett aus Regeln und Auflagen halten, das die oberste Motorsportkommission FIA geschnürt hat.

So dürfen pro Fahrer nur fünf Aggregate für alle 21 Rennen verwendet werden, ansonsten gibt es Startplatzstrafen. Wichtiger aber: Pro Rennen stehen exakt 100 Kilogramm Sprit zur Verfügung, kein Tropfen mehr. Der Motor muss also noch effizienter mit den 1240 Kilowatt an Treibstoffenergie umgehen, damit Lewis Hamilton und Nico Rosberg auch mehr Gas geben können. Das Entwicklungsziel war somit klar definiert: Den Wirkungsgrad des Motors, mit dem Mercedes 32 von 38 Rennen gewinnen konnte, nach allen erdenklichen Regeln der Kunst zu erhöhen.

Gar nicht so einfach bei den 900 PS, die bereits aus dem nur 1,6 Liter großen V6-Aggregat gewonnen werden. Möglich gemacht wird die enorme Leistung durch ein Hy­brid-System, das ein wenig mehr kann als die Aggregate der Straßenversionen aus Stuttgart: Der Elektromotor, im Rennsprech MGU-K (Motor-Generator-Unit-Kinetic) genannt, ist für die kinetische Energie zuständig, sitzt ganz knapp am Block des Triebwerks und greift direkt auf die Kurbelwelle zu. So kann er beim Bremsen rekuperieren, oder ein wenig Extrapower abgeben, im Falle von Mercedes für 30 Sekunden 160 PS.

Aber es gibt noch einen zweiten E-Motor, und der steckt direkt im Turbolader: Auf der Verbindungswelle zwischen der Abgasturbine, die von den unter Druck stehenden Abgasen in Schwung gebracht wird, und dem Verdichter, der Frischluft in die Brennräume pumpt, sitzt die sogenannte MGU-H Einheit. Sie zieht Strom aus dem bis zu 100.000 Umdrehungen schnellen Laufzeug des Laders oder bringt es in Schwung, um das nervige Turboloch auszugleichen.

Faszinierend, aber ist da überhaupt noch Potenzial drin? Für Andy Cowell ist der wichtigste Punkt die Steigerung der thermischen Effizienz. Zum Beispiel ging es darum, die brennheißen Abgase möglichst effizient in den Turbo zu leiten. Thermodynamik ist eine Wissenschaft für sich, und der Rennmotor folgt einem Grundsatz punktgenau: Je kürzer die Wege, desto geringer die Verluste. Die Auspuffkrümmer verlaufen daher ganz knapp am Block hinauf zum Lader, der strategisch schlau im V-Ausschnitt zwischen den Zylindern sitzt.

Und dann natürlich die entscheidende Frage, wie man die im Brennstoff gebündelte chemische Energie am besten in mechanische umwandeln kann. 100 Prozent wären natürlich das Beste, aber 40 Prozent Wirkungsgrad gelten für einen Hubkolbenmotor schon als sensationell. Das Mercedes-Aggregat liegt nach aufwendigen Forschungsreihen bei beachtlichen 45 Prozent. Zum Vergleich: Die V8-Sauger, die bis 2013 in Verwendung waren, brachten es auf bescheidene 29 Prozent. Und wer sich wundern sollte, warum die modernen F1-Triebwerke so verhalten klingen: Richtig, auch Lautstärke ist ein Indiz dafür, dass irgendwo noch unnötig Energie verpufft. Leider.

Nicht zu vergessen natürlich die verbauten Lithium-Ionen-Akkus: Sie müssen 20 bis 25 Kilogramm leicht sein, es blieb also nichts anderes übrig, als die Leistungsfähigkeit weiter zu steigern, um das Maximum an Power herauszuholen. Cowell ist zu Recht stolz auf seine Jungs, sie konnten die Energiedichte in den letzten Jahren gleich um das Doppelte steigern. All das mündet in der komplizierten Steuerelektronik, die den Kraftfluss stets so optimal wie möglich regeln muss. Schließlich ändert sich die Fahrsituation nicht nur von Rennstrecke zu Rennstrecke und von Pilot zu Pilot, sondern auch von Runde zu Runde. Die Software lernt also aus der Fahrweise Hamiltons und Rosbergs, wie sie das Zusammenspiel aus Kraftstoff und Strom, dem Abgeben von Extrapower und der Energierückgewinnung am schlauesten regelt, um erneut aufs Siegertreppchen zu kommen – damit man in Stuttgart am Jahresende wieder gute Gründe hat, ausgiebig zu feiern.