Da nur die Wenigsten von uns jemals in den Genuss kommen werden, müssen wir uns folgendes Szenario eben bildlich ausmalen: Als der Kunde in der Golfregion den Anruf aus dem elsässischen Molsheim erhält, weiß er noch gar nicht, dass der Reifendruck am linken Vorderrad seines Bugatti Chiron nicht mehr optimal ist. Der Kundendienst-Techniker der Supersportwagen-Marke ist jedoch schon im Bilde und gibt den Hinweis, dies vor der nächsten Ausfahrt mit dem 1500-PS-Boliden zu korrigieren. Und das, obwohl er fast 6000 Kilometer entfernt seiner Arbeit nachgeht.

Das nennen wir Service – und Telemetrie heißt das Zauberwort. Beim Chiron erfolgt die Datenübertragung jetzt nämlich sogar in Echtzeit, wie das sonst in der Formel 1 oder der DTM üblich ist. Aber wenn die handverlesenen Kunden einverstanden sind (was bis auf wenige Ausnahmen alle waren), können sie diesen Concierge-Service tagtäglich genießen. Oder so oft sie ihre Bugattis eben aus der Garage entlassen. Zu jeder Tages- und, wenn nötig, auch Nachtzeit.

Die Elsässer haben mit dem Thema bereits langjährige Erfahrung vorzuweisen: Seit 2004 ist Bugatti in der Lage, den technischen Status jedes einzelnen Bugatti vom Stammsitz in Molsheim aus individuell zu begleiten. Norbert Uffmann, der die Entwicklung des Telemetrie-Systems verantwortet, sagt: „Wir haben damals echtes Neuland betreten. Wir sind der erste Autohersteller, der die Telemetrie zur Anwendung in einem Serienfahrzeug gebracht hat. Und wir sind damit auch heute noch einzigartig.“

Ob Motor, Getriebe, Licht, Klimaanlage oder Infotainment – das System hat den Blick auf rund 10.000 Signale aus allen Bereichen des Fahrzeugs. Und das geht so: Der Laptop beim Kundendienst „spricht“ mit einer Aluminiumbox im Fahrzeug. Sie ist gerade einmal 140 Millimeter breit, 50 hoch und 100 lang und erfasst die Diagnosedaten von mindestens 30 Steuergeräten im Fahrzeug. Die Daten werden hauptsächlich per Mobilfunk übertragen.

© BUGATTI

Die drei „Flying Doctors“, so heißen in Molsheim die Kundendienstbetreuer, bekommen eine SMS, wenn einer ihrer Schützlinge auffällige Daten übermittelt. So wissen die Techniker zum Beispiel bereits vor dem Besuch beim Kunden, ob, und wenn ja, welche Ersatzteile bestellt werden müssen, und können dies entsprechend in die Wege leiten. Ein „Flying Doctor“ ist übrigens ab dem Moment, in dem ein Kunde seinen Bugatti in Besitz nimmt, dessen direkter Ansprechpartner in allen technischen Fragen. Er ist rund um die Uhr erreichbar und bereit, sofort in den nächsten Flieger zu steigen, um dem Kunden entweder in dessen nächster Händlerwerkstatt oder auch zu Hause zu betreuen, sollte eine Beratung aus der Ferne nicht möglich sein.

Neben der alltäglichen technischen Betreuung ist die Verfolgung gestohlener Fahrzeuge eine von den Kunden besonders hoch geschätzte Funktion des Systems. Der Chiron soll in Zukunft in für ihn ungewohnten Situationen eigenständig per Telemetrie auf sich aufmerksam machen, etwa bei passiver Fahrzeugbewegung auf einem Lkw. „Wir haben schon das ein oder andere Fahrzeug für die Kunden wiedergefunden, bevor die Diebe damit die Landesgrenze überschreiten konnten“, erzählt Uffmann.

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