Es existiert ein Foto, eine Werbeaufnahme für Ford. Sie hatten Jochen Rindt in ein Ungetüm von einem Pelzmantel gesteckt. „Bei jedem anderen hätte das unendlich lächerlich ausgesehen, bei Jochen war es aber so großartig, dass man eine Ganslhaut bekommen hat“, beurteilte viel später Niki Lauda das Bild. Lauda, ein Rindt-Nachfolger, der einen ähnlichen Weg gegangen war, mit einem einzigen Ziel im Kopf. Nur war alles das, was Rindt ein paar Jahre zuvor gemacht hat, noch völliges Neuland gewesen. Alle anderen rot-weiß-roten Rennfahrer hatten später davon schon profitiert. Ein bisserl zumindest.

Denn Mitte der 60er-Jahre war einer der Unsrigen in einer Sportart emporgeklettert, die wir Österreicher – Skination, wie wir schon immer waren – uns nicht einmal vorstellen durften. Er wurde zwar in Mainz geboren, ausgestattet mit der Erbschaft einer Gewürzmühle und mit deutschem Pass. Was den Österreichern aber immer gleichgültig war. Wie im Übrigen auch Rindt, der seine unschuldige Kindheit in der Steiermark verloren hatte.

Als Waise kam er zu seiner Großmutter nach Graz und wuchs dort auf. Er hat seine persönliche Sturm-und-Drang-Phase überstanden, besser gesagt überlebt. Vor allem auf der Straße zwischen Graz und Bruck, die ein Mannbarkeitsritual war. Schulfreund Helmut Marko erinnert sich gemäß seiner juridischen Weisheit: „Wenn sich heute einer so auf der Straße aufführt wie wir damals, sitzt er im Zuchthaus.“ Diese Rennerei im öffentlichen Verkehr ersetzte den jungen Draufgängern ein ganzes Formel-3-Jahr.

Man hatte das Ausg’schau von Rindt als ideale Voraussetzung für eine große Karriere erkannt. „A Wüda mit ana Nosn“ oder: „A Narrischer ohne Nosn“ waren gängige Personenbeschreibungen. Es zeigte sich so schon früh, ob Rindt nun eine ganz besondere oder gar keine Nase hatte. Dazu gesellte sich so eine näselnde Aussprache zwischen Deutsch-Deutsch und Österreichisch-Deutsch, mit zarten Spuren des Steirischen. Am besten brachte es aber André Heller, der Rindt aus den Maturajahren von Bad Aussee kannte, zum Ausdruck: „Er hatte ein Gesicht wie eine Strecke, auf der ein Zug entgleist ist. Mit so einem Gesicht muss einer was werden.“ Und wie Jochen etwas wurde.

Den Le-Mans-Sieg hatten die Österreicher zwar mitgenommen, aber noch nicht so richtig abschätzen können, was dieser bedeutet. In der Nebenfront der Formel 2 offenbarte sich das ganze Talent des Steirers (wie gesagt: er war für uns immer ein Österreicher). Denn dort schlug er schon in den 60er-Jahren die Formel-1-Größen, die ganz selbstverständlich auch die Formel-2-Rennen bestritten hatten. Als zweite Einnahmequelle.

1969 war Rindt ins Lotus-Team gewechselt, nach seinem Premierenjahr in der Formel 1 mit einem Brabham. Bei Lotus, so glaubte er, konnte er Weltmeister werden. Aber die Autos von Colin Chapman waren wie ein Sargnagel – schnell, aber zerbrechlich. „Ich habe nie ein Vertrauen zu den Autos von Colin gehabt, aber irgendeine Weisheit in seinen Schädel reinzukriegen, ist unmöglich“, hatte Rindt nach dem Unfall in Barcelona gemeint, als beim Lotus 49 die monströsen Heckflügel brachen. In den USA 1969 gewann er seinen ersten Grand Prix.

Der endgültige Durchbruch, der entscheidende Moment zur Legendenbildung, der Tag, an dem der Mythos Rindt zu wachsen begann, gelang am 10. Mai 1970. Der unglaubliche Lotus 72 war schon gebaut, die ersten Renneinsätze hatte Rindt im Geniestreich von Colin Chapman schon hinter sich. Aber für Monte Carlo entschied man sich bei Lotus doch noch einmal für den alten Lotus 49.

Der Österreicher hatte sein Mittagessen wie gewohnt beendet, mit Tafelspitz oder Backhenderl. Genüsslich saß er vor dem Fernsehapparat. Natürlich noch alles in Schwarz-Weiß. Jack Brabham führte den GP an – aber hinter ihm holte Jochen Rindt Sekunde um Sekunde auf, rückte immer näher, war schon formatfüllend im Rückspiegel von Brabham aufgetaucht, als es zum letzten Mal zur Gasometer-Kurve (heute Rascasse) ging. Brabham und Rindt flogen auf die Kurve zu – und Brabham bremste nur viel zu spät. Mit nach rechts eingeschlagenen Rädern rutschte der Australier in die Strohballen, eingefangen von den TV-Kameras. Rindt schlüpfte innen durch, zum Rennleiter mit der schwarz-weiß karierten Fahne. Aber der gute Mann wartete auf Brabham, glotzte nur erstaunt und vergaß aufs Abwinken.

In diesem Sommer gewann Jochen Rindt in Monaco, in Zandvoort, in Clermont-Ferrand, in Silverstone und auf dem Hockenheimring. Überlegen führte er in der Weltmeisterschaft. Und Österreich war völlig Formel-1- und Jochen-Rindt-narrisch.

In dieser Zeit war Rindt auch unheimlich gereift, hatte längst Pläne gemacht für ein Leben nach dem Rennfahren. Er hatte sich immer mehr mit dem Gedanken angefreundet, seiner Frau Nina den Wunsch, er möge aufhören, zu erfüllen. Es war ihm ernst gewesen. Mit seiner Racing Show hatte er die Stars der Szene nach Wien geholt, er moderierte für den ORF das Automagazin „Motorama“. Er hatte die Formel 1 schon so skizziert, wie es später Bernie Ecclestone umsetzte. Managementmäßig damit einen Haufen Geld verdienen. Der Tod am 5. September 1970 kam dazwischen. Der Unfall, ziemlich einfach. Eine Bremswelle war gebrochen.