Wie ist der Stand bei der Rückrufaktion der vom Abgasskandal betroffenen Dieselfahrzeuge?
JÜRGEN STACKMANN: Volkswagen und die Nutzfahrzeugsparte haben alle Freigaben vom Kraftfahrt-Bundesamt, um die Rückrufe abzuwickeln. In Österreich kommt praktisch jeden Tag ein Prozentpunkt an Kunden dazu, die mit ihrem Auto in der Werkstatt waren. Das Abarbeiten der 8,5 Millionen betroffenen Fahrzeuge in Europa soll bis Spätsommer oder Herbst abgeschlossen sein.

Wir haben in Österreich einen Dieselanteil von 58,3 Prozent. Wird sich das in den nächsten Jahren drastisch verändern?
STACKMANN: Österreich ist eine klassische Dieselhochburg, europaweit gibt es einen leichten Rückgang. Allerdings branchenweit. Das liegt auch daran, dass die Abgasnachbehandlung Diesel teurer macht, und der Motor ist in einigen Metropolen wie Paris in die Diskussion geraten. Aber ich glaube nicht, dass wir einen radikalen Wechsel sehen werden, sondern einen langsamen Drift Richtung Benzin und alternative Antriebe. Trotzdem werden wir voll in die nächste Dieselgeneration investieren.

Wie sehr hat der Abgasskandal das Image der Marke beschädigt?
STACKMANN: Natürlich gab es im Bereich Markenvertrauen einen Rückschritt. Es wäre auch ein Wunder, wenn das nicht der Fall gewesen wäre. Aber wir sehen in den Studien, dass wir uns zurückarbeiten. Dabei werden uns auch neue Produkte helfen.

Wo werden die Schwerpunkte bei den neuen Modellen liegen?
STACKMANN: Es ist eigentlich ein Phänomen, dass die Marke Volkswagen so groß geworden ist, ohne das Thema SUV intensiver zu bespielen. Das bleibt weiterhin das Boom-Segment. In den nächsten Jahren werden wir das nachholen, bevor wir 2020 mit der Elektromarke I.D. an den Start gehen.

Innerhalb des Konzerns findet der selbst verordnete Wandel statt. Wie schnell kann man ein so riesiges Unternehmen neu ausrichten?
STACKMANN: Die Erneuerungskraft hat ein tolles Momentum aufgenommen. Ein Beispiel: Die Elektroautofamilie ist gedanklich ziemlich genau ein Jahr alt. Die Idee stammt aus einem Sonntagsmeeting, in dem wir die neue Strategie besprochen haben.

Wo sehen Sie im Konzern den größten Handlungsbedarf?
STACKMANN: Die Marke Volkswagen hat das Produkt im Fokus, aber nicht den Kunden. Im letzten Jahr ist das ganz klar geworden. Die Marke muss künftig aus allen Perspektiven für den Kunden eine kompetente Antwort haben, als ganzheitlicher Dienstleister auftreten, mit dem der Kunde vernetzt ist. Da sind wir im Vergleich zu anderen Branchen zu behäbig.

Volkswagen ist 2016 zum größten Autohersteller der Welt avanciert. Ist das für die Zukunft noch immer das erklärte Ziel?
STACKMANN: Wir arbeiten derzeit mehr an einem Ökosystem Volkswagen. Volumen wird nicht unwichtig, aber es ist nicht mehr die einzige relevante Größe. Herbert Diess (Markenchef VW, Anm. d. Red.) ruft mich nicht jeden Tag an und fragt, wie viele Autos wir verkauft haben.