Die Zeit ist mit ihr nicht gnädig gewesen. Aber auch nach 52 Jahren erkennt Falk Reimann seine Jugendliebe sofort, als sie auf seinen Hof rollt. Der große, schlanke Mann, der so spitzbübisch dreinschauen kann, streicht über das rostige Blech und erinnert sich. Vor mehr als 60 Jahren teilen er und sein Zwillingsbruder Knut den Traum von einem eigenen Auto. Was ihnen Geld und Geburtsort DDR an Grenzen setzen, machen sie mit Gewieftheit wett: "Südlich von Berlin lagen nach dem Krieg Reste von VW-Kübelwagen der Wehrmacht, dort haben wir die Teile für ein Fahrgestell gesammelt."

Sie rüsten den "Geländekäfer" zurück, um ihm das edelste Kleid aufzusetzen, die diese Technik je trug: das eines Porsche 356. Also fragen sie Karosseriebauer Arno und Helfried Lindner nahe Dresden, ob sie die Coupéform - 30 Zentimeter länger als original - auf einem Eschenholzgerippe über das Fahrgestell stülpen. "Lukrativ war es nicht, für 3500 Ostmark waren sie dabei."

Die Technikstudenten fertigen Konstruktionspläne, mangels Tiefziehblech wird die Hülle aus 15 Ford-Motorhauben zusammengeschweißt. Der erste von 13 Lindner-Porsche nimmt Formen an: "Es war unglaublich", unterwegs mit einer Konsumikone des Westens im Arbeiter- und Bauernstaat. Der erste Weg nach der Zulassung 1954 führte nach Stuttgart-Zuffenhausen ins Porschewerk. Erst sorgte die Ostblock-Imitation für Irritation, imponiert dann aber Ferry Porsche so sehr, dass er Teile spendiert, um aus dem 1100er-Käfer-Motor ein 356er-Triebwerk zu machen.

In diesem Zustand tauchte das Linder-Coupé wieder auf
In diesem Zustand tauchte das Linder-Coupé wieder auf © OLIVER WOLF

Mit dem monatlichen Stipendium von 180 Ostmark füttern sie ihr "Porscheli", foppen die DDR-Grenzer mit falschen Kennzeichen, bereisen Paris, Rom, die Beneluxländer. "Aus Kostengründen haben wir uns sechs Jahre lang einen Führerschein geteilt."

Dann versteht das Regime keinen Spaß mehr, beantwortet Republikflucht mit Schießbefehl und Berliner Mauer. "Nichts wie weg und durch die Kanalisation in den Westen flüchten", doch da klicken die Handschellen der Grenzpolizei. Nach eineinhalb Jahren Haft zieht Falk nach Ungarn, Knut bleibt in Deutschland, vom Porsche fehlt jede Spur.

An "Porscheli" hatte der Zahn der Zeit ganz schön genagt
An "Porscheli" hatte der Zahn der Zeit ganz schön genagt © OLIVER WOLF

Bis 2013 Nummer 4, einer von zwei überlebenden Linder-Porsche, bei Falk in Budapest einrollt. Von dort aus überwacht er die Restauration. "Es ist ein Wunder, dass so ein Wagen wieder aufgetaucht ist." Wenn er fertig ist, werden sie eine Runde durch die ehemalige DDR drehen. Inzwischen ist das "Porscheli" so gut wie neu und sein Besitzer Alexander Fritz hat über die abenteuerliche Geschichte ein Buch geschrieben.