Von einem Auto erfasst wurden Samstagnachmittag im oberösterreichischen Enns zwei Frauen mitsamt ihren in Buggys sitzenden zwei einjährigen Kindern. Die Mütter schoben ihre Kinderwägen nebeneinander gehend am Schutzweg, der 61-jährige Pkw-Lenker übersah die Fußgängerinnen jedoch beim Einbiegen. Die Kinderwägen wurden vom Auto umgeworfen. Laut Polizei dürften alle nur leichte Verletzungen davongetragen haben, zur Beobachtung wurden die Frauen und ihre Kleinkinder jedoch in ein Linzer Krankenhaus gebracht.

22 Fußgänger auf Schutzwegen getötet

Jeden Tag kommt es in ganz Österreich auf Zebrastreifen zu brenzligen Situationen und Unfällen wie diesen; im Vorjahr wurden 22 Fußgänger laut Innenministerium auf Schutzwegen getötet. Eigentlich genießen Passanten auf ungeregelten Querungen gegenüber dem Pkw-Verkehr einen erhöhten Schutz. Inwieweit dieser jedoch tatsächlich gegeben ist, hängt ganz wesentlich von der Straßeninfrastruktur ab - so kann ein Schutzweg unter Umständen selbst zum "Sicherheitsrisiko" werden.

Hier setzt ein vergangene Woche erstmals präsentiertes Forschungsprojekt des AIT Austrian Institute of Technology an: Forscher am Center für Mobility Systems entwickelten ein innovatives Werkzeug zur Evaluierung von Fußgängerübergängen. "Mit der Mobility Observation Box lassen sich Schutzwege objektiv messen und miteinander vergleichbar machen", erzählt Peter Saleh, Teamleiter im Verkehrssicherheitsteam. "Es sieht zwar aus wie eine optische Kamera mit einem Computer, ist aber etwas komplexer. Mithilfe mathematischer Algorithmen können wir Fahr- und Bewegungslinien von Fahrzeugen und Passanten bestimmen und ihr Verhalten bewerten. So lässt sich anhand der bisherigen Fahrlinie eines Autos die weitere Fahrlinie vorhersagen – und damit auch, ob es zu einem potentiellen Konflikt, also einen Unfall mit einem Fußgänger, kommen könnte", sagt der Wissenschaftler. Dabei würden komplexe Verfahren wie Maschinelles Lernen (machine learning) zum Einsatz kommen.

Die Mobility Observation Box
Die Mobility Observation Box © AIT

Im Zentrum der Beobachtung durch die Datenbox steht also die Anhaltebereitschaft der Kfz-Lenker. "Es lassen sich so, aufgrund der über einen längeren Zeitraum erfassten Daten, auch kritische Stellen feststellen, also beispielsweise Zebrastreifen, wo ein Autofahrer einen Passanten gar nicht hätte sehen können", erklärt Saleh. Dieses neu gewonnene Wissen könnte dann in Verbesserungen des Straßendesigns einfließen, etwa eine Vorziehung des Gehsteigs durch sogenannte "Ohrwaschl". Inklusive der Vorarbeiten stecken eineinhalb Jahre an Forschung in der Mobiliy Observation Box, sechs Wissenschaftler waren am AIT, Österreichs größter außeruniversitärer Forschungseinrichtung, beteiligt - dazu kommen zwei Mitarbeiter des Grazer Softwareentwicklers SLR Engineering.

Bei Neuplanung von Zebrastreifen einsetzbar

Mithilfe der Mobiliy Observation Box können jedoch nicht nur bereits bestehende Straßenübergänge bewertet werden, auch bei der Neuplanung von Zebrastreifen kann die Box zum Einsatz kommen: Durch Datenerhebung im Vorfeld der Errichtung wird ermittelt, wo ein Zebrastreifen aufgrund aktueller Fußgängerquerungen zielführend und sicher zu positionieren ist. "Wenn etwa in Graz am Ort X an einer bisher ungeregelten Querung ein Schutzweg errichtet werden soll, dann können wir - aufgrund des Vergleichs mit ähnlichen Zebrastreifen – etwa Variante Y vorschlagen. Insgesamt haben wir mehr als 50 Schutzwege getestet", berichtet Saleh.

Peter Saleh
Peter Saleh © AIT

Mit der Mobility Observation Box stellen wir den Straßeninfrastrukturbetreibern ein Tool zur Verfügung, das tatsächlich helfen kann, Unfälle am Zebrastreifen zu verhindern und somit Menschenleben zu retten. Wir wollen und können dazu beitragen, ungeregelte Straßenquerungen wirklich zu Schutzwegen zu machen." Davon würden besonders Kinder und Jugendliche auf ihrem täglichen Weg zur Schule profitieren - als schwächste TeilnehmerInnen im Verkehrssystem seien sie ganz besonders darauf angewiesen, eine Straßeninfrastruktur vorzufinden, die es ihnen ermöglicht, ihr Ziel sicher und ungefährdet zu erreichen.

Dieser Ansatz sei ein bisschen ein Kulturwandel, ein Paradigmenwechsel: "Wir wollen nicht auf Unfälle warten und dann Maßnahmen ergreifen, sondern diese präventiv verhindern – allerdings ohne erhobenen Zeigefinger", erläutert der Wiener die Motivation hinter der Entwicklung der Datenbox. Ihr Forschungsprojekt sei nun für den Markt vorbereitet und für Kunden einsetzbar. Auch der Datenschutz sei selbstverständlich berücksichtigt, "das ist bei Projekten im öffentlichen Raum wichtig. So sind keine Autokennzeichen oder Gesichter eindeutig zu erkennen."